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Stars unter sich: Angelina Jolie und Matt Damon in "The Good Shepherd".

Foto: Reuters
Berlin - Auftritte von US-Stars führen derzeit bei der Berlinale nicht selten zu tumultartigen Situationen. Etwa wenn zu einer Pressekonferenz von Robert de Niro mehr Leute wollen, als der dafür vorgesehene Raum zu fassen vermag. Der Film, den de Niro mitgebracht hat, gerät dann schnell einmal ins Hintertreffen.

Er erzählt von grauen Männern mit Trenchcoat, Hut und Aktenmäppchen, die geheimdienstliche Intrigen von weltpolitischer Tragweite schmieden: The Good Shepherd heißt die zweite Regiearbeit des Schauspielers seit A Bronx Tale (aus dem Jahre 1993).

"Trust" ist eigentlich das Schlüsselwort des Films. Das Stigma des Helden Edward Wilson (Matt Damon), die penible Wahrung eines Familiengeheimnisses seit seiner Kindheit, macht ihn zum idealen Rekruten für das Office of Strategic Services (OSS), einen Vorläufer der CIA.

Väter und Söhne

Die Geschichte von Wilson, einer fiktiven Figur, die Züge von realen Gründungsmitgliedern der CIA trägt, wird in Rückblenden aufgerollt. Klandestine Bündnisse unter Männern, Väter und Söhne spielen dabei eine zentrale Rolle - Robert de Niro selbst kehrt wiederholt als eine Art "Übervater" wieder. Während er dabei in immer schlechterer körperlicher Verfassung erscheint, ist sein Schützling mehr von mentalen Problemen gepeinigt.

Die Beschäftigung mit Miniaturschiffchen, die er vorsichtig in Flaschen platziert, muss als Bild herhalten für seine Isolation, die mit Passivität und der Berufung auf Autoritäten einhergeht, mit dem Ausschalten des Impulses, selbst initiativ zu werden. Auch der Bildfokus liegt häufig auf den Figuren, jegliches Umfeld verschwimmt in extremer Unschärfe.

Der Film, der trotz der verschachtelten Zeitstruktur einen eher behäbigen Eindruck macht, stellt dieses System zwar infrage. Er tut dies jedoch vor allem, indem er größere Zusammenhänge auf das Maß eines Individualschicksals herunterbricht und deren negative Auswirkungen auf die Kleinfamilie beschreibt: Der einst verlassene Sohn wird selbst ein eher schlechter Vater, der dem um Anerkennung ringenden Filius nur mit Unverständnis und Gleichgültigkeit begegnet.

Männlich definiert

The Good Shepherd unterhält durchaus ein Naheverhältnis zu den Arbeiten von de Niros filmischem Ziehvater Martin Scorsese und deren männlich definierten Milieus. Und wie etliche von dessen Filmen hat auch The Good Shepherd ein eklatantes Problem mit dem Einsatz und der Ausgestaltung von Frauenfiguren.

Diese funktionieren ausschließlich in Bezug auf den männlichen Helden, in dessen fundamentales Leiden an sich selbst sie keinen Einblick haben, das sie aber in einer fatalen Weise affiziert. Die im Umfeld von Wilson ohnehin nur skizzierten Protagonistinnen (besetzt mit Angelina Jolie, Tammy Blanchard und Martina Gedeck) entwickeln ein Alkoholproblem, werden verlassen oder umgebracht.

Auch ein guter Hirte führt seine Schäfchen eben irgendwann zur Schlachtbank. (irr/DER STANDARD, Printausgabe, 12.2.2007)