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Zur Wiedereröffnung der Synagoge und Rabbinerschule in Lublin kamen hunderte Juden aus aller Welt.

Foto: EPA/Trembecki
Die Szene vor der Rabbinerschule in Lublin im Südosten Polens wirkt so weltentrückt wie ein Chagall-Bild: Hoch oben fliegen Rabbiner in den eisblauen Himmel. Am Boden schwenken hunderte dick eingemummt Menschen ihre Wollmützen und Lederkappen. Je höher der Kran die Hebebühne mit den drei schwarz gekleideten Männern hebt, um so lauter und jubelnder wird die Musik. Schließlich ein Fanfarenstoß, und eine lila Stoffplane flattert im Wind. Auf dem Giebel des imposanten fünfstöckigen Gebäudes sind die hebräische und die polnische Originalinschrift wieder zu sehen: „Jeschiwas Chachmej Lublin“, darunter „Rabbiner Majer Szapiro“, der Name des Gründers dieser einst weltberühmten Rabbinerschule.

Ungewöhnlich ist diese Szene vom vergangenen Sonntag in jeder Hinsicht. Denn zum ersten Mal seit dem Holocaust hat Polens jüdisch-orthodoxe Gemeinde aus eigener Kraft eine Synagoge und eine Rabbinerschule wieder in Stand gesetzt. Weder der Staat noch ausländische Spender halfen, wie bei den meisten Synagogen in Krakau, die heute als Museen oder touristische Attraktionen dienen. „Das ist ein Signal an die Welt“, sagt Polens Oberrabbiner Michael Schudrich zum Standard. „Wir sind wieder da. Nicht so zahlreich natürlich wir früher. So wie vor dem Holocaust wird es nie wieder werden. Aber ein Anfang ist gemacht.“

Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in Polen rund 3,5 Millionen Juden, die größte jüdische Diaspora der Welt. Im 18. und 19. Jahrhundert entwickelte sich in Südostpolen die mystische Bewegung des Chassidismus. Bis heute verehren Chassiden in aller Welt Rabbi Jakub Ichak Horowitz, den „Seher von Lublin“. Die 1930 gegründete Rabbinerschule „Jeschiwas Chachmej Lublin“ knüpfte an diese Tradition an. In kurzer Zeit zog sie Studenten und Gelehrte aus aller Welt an. Lublin wurde zum „jüdischen Oxford“.

Erst 2003 erhielt Polens jüdische Gemeinde das Gebäude zurück. Diese möchte nun neben der Synagoge das erste Museum des Chassidismus in Europa eröffnen. Piotr Kadlcic, Vorsitzender des Verbands Jüdischer Gemeinden in Polen, hat jedoch einen Traum, der noch weiter geht: „Wer weiß, vielleicht kehren ja in einigen Jahren Talmudschüler in das erneuerte Gebäude zurück.“ (Gabriele Lesser aus Lublin/DER STANDARD, Printausgabe, 13.2.2007)