Bryan Ferry veröffentlicht Anfang März eine über ein ganzes Album gezogene Hommage an Bob Dylan.

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Der 61-jährige "Pop-Dandy" Bryan Ferry hat im Rahmen der Wiederbelebung seiner alten Band Roxy Music eine Pause eingelegt und veröffentlicht jetzt mit "Dylanesque" ein Tribute an einen Vater für uns alle. Uli Karg sprach mit dem britischen Star.


München - Worauf immer hingewiesen wird, wenn von Bryan Ferry, 61, die Rede ist: Stilikone des Pop. Was nicht minder erwähnenswert ist: phänomenale blaue Augen! Preußisch Blau fast. Zusätzliche Betonung erfahren diese Augen beim Interview-Termin durch ein blaues Oberhemd, unter dessen Haifischkragen der dezente Knoten einer schwarzen Seidenkrawatte platziert ist. Dazu trägt Ferry ein schwarzes Cordsakko samt Jeans und dunkelbraunen Krokoschuhe.


STANDARD: Mister Ferry, Sie haben eine Kunstschule besucht, sich dann aber für die Musik entschieden. Gab es jemals Momente der Reue?

Bryan Ferry: Nein. Malen kann ich später immer noch, wenn ich meine Stimme verlieren sollte. Wie Sie sagten, habe ich an der Universität Malerei studiert. Vor sehr vielen Jahren. In der Schule habe ich auch bereits ein bisschen geschauspielert. Aber für einen guten Schauspieler habe ich einfach nicht genügend Selbstvertrauen. Dafür als Sänger. Und das möchte ich nun noch ein wenig ausnutzen.

STANDARD: Sie haben zu wenig Selbstvertrauen, um Schauspieler zu sein?!

Ferry: Naja, es wäre schon machbar, wenn ich seltener die Nächte durchmachen würde. Will heißen: wenn ich nachts ebenso wie tagsüber arbeiten würde.

Aber manchmal kommt man an diesen Punkt, wo man durchgearbeitet hat und sich denkt: Halt, vielleicht sollte ich auch noch ein bisschen leben. Und ich bin auch eine rituelle Person. Als ich in meinen Zwanzigern war, hätte ich die Nacht durchgearbeitet. Habe ich wohl auch, denn 1973 habe ich gleich drei Alben rausgebracht. Dazu kamen Touren. Solo und mit Roxy Music.

Ich würde gerne meinen Kalender von damals noch einmal sehen.

STANDARD: Bereits auf Ihrem ersten Soloalbum 1973 fand sich ein Dylan-Cover. Warum hat es so lange gedauert, bis Sie dieses Album in Angriff nahmen? Die Aufnahmen selbst dauerten ja nur eine Woche.

Ferry: Ich war in den letzten Jahren mit vielen Live- Geschichten beschäftigt. Hie und da einmal Auftritte, einige Tourneen. Und dann war da ja noch meine Hauptbeschäftigung, nach der mir im letzten Jahr war: ein neues Roxy-Music-Album!

STANDARD: Mit Brian Eno?

Ferry: Ja, aber er hat eine untergeordnete Rolle. Eno kam für zwei oder drei Tage, um mit uns zu arbeiten. Das war ein sehr schönes Erlebnis. Er ist aber kein vollwertiges Mitglied der Band. Dennoch sind wir Freunde. Wir haben schließlich eine gemeinsame Vergangenheit, bevorzugen es aber, dass er nur als Gast an unseren Aufnahmen teilnimmt. Er sieht dies genauso, und deshalb haben wir eine gute Beziehung.

Abgesehen davon, wird es mit den Aufnahmen noch sehr lange dauern. Also wollte ich mit dem Dylan-Album zwischenzeitlich einmal was anderes machen. Und habe sozusagen bei der Roxy-Music-Maschine auf die Pausetaste gedrückt. Ich habe meiner Zuhörerschaft schon zu lange keine neue Soloarbeit präsentiert.

STANDARD: Das Dylan-Album als tiefer Luftzug?

Ferry: Wunderbare frische Luft! Es ist wichtig, sich zwischendurch von der eigenen Arbeit abzuwenden. Um dann ausgeruht zurückzukehren.

STANDARD: Hat Bob Dylan schon einen Kommentar abgegeben?

Ferry: Nein, nicht wirklich. Aber ich weiß, dass er es mag. Er muss es mögen!

STANDARD: Er dürfte sich arg geschmeichelt fühlen.

Ferry: Es ist ja auch schmeichelhaft für ihn. Es ist eine Hommage. Man bringt ja kein Album mit Liedern eines anderen Künstlers heraus, wenn man sein Werk nicht lieben würde.

Ich liebe seine Lieder! Ich weiß aber nicht, ob ich ihn als Person schätzen könnte. Ich kenne ihn ja nicht. Aber sein ganzes Werk ist großartig. Vielleicht lebt er - so wie ich - deshalb auch ein einigermaßen ruhiges Leben. Ich stelle ihn mir als sehr unzugängliche Person vor. Und das bin ich ebenso.

STANDARD: Unzugänglich wirken Sie momentan gar nicht. Stilbewusst dafür umso mehr. Konnten Sie diese Seite vielleicht deshalb kultivieren, weil Sie - als einziger Bub - mit lauter Schwestern aufgewachsen sind?

Ferry: Ich bin ein sehr empfindsames Wesen. Geschmack entwickelt man, indem man neue Einflüsse aufnimmt. Es ist faszinierend, wie Menschen ihre Vorlieben und Abneigungen kultivieren.

STANDARD: Verzeihen Sie die Frage, Mister Ferry, aber: Kommt guter Geschmack mit dem Alter?

Ferry: Zumindest kann sich der Geschmack verändern. Aber ich denke, dass er immer besser wird, ja.

STANDARD: George Bernard Shaw hat gesagt, dass Jugend an die Jungen verschwendet wird?

Ferry: Das ist wohl war. Aber ich genieße das Leben jetzt mehr als in meiner Jugend. Obwohl: Gestern dachte ich mir um ein Uhr morgens im Nachtleben, dass es vielleicht jetzt doch langsam Zeit sein könnte, ins Bett zu gehen. Früher hätte es da auch leicht fünf Uhr werden können. Dann wäre die Party gestern um diese Uhrzeit eher in ihren Anfängen gewesen, als ich sie verließ. Hm ... ich würde liebend gerne zwei Leben führen. Das wilde und das vernünftige Leben. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.2.2007)