Los Angeles - Sie fühlen sich schuldig, wenn sie nicht jeden Tag 15 Kilometer joggen. Sie heben Gewichte bis zum Umfallen und lassen Verabredungen sausen, um länger im Fitness-Zentrum zu trainieren. Im Prominentenviertel Malibu bei Los Angeles hat eine Privatklinik die Behandlung von Fitness-Süchtigen fest in ihr Programm aufgenommen, und im Internet wimmelt es von Betroffenen, die ihre Leidensgeschichten veröffentlichen. "In Los Angeles kann man mehr Fitness-Süchtige finden als in jedem anderen Ort", sagt die Psychologin Irene Rubaum-Keller, die in der Filmmetropole eine private Praxis betreibt: "Hier will jeder aussehen wie ein Hollywood-Star." Irene Rubaum-Keller, die sich selbst als "geheilte Süchtige" betrachtet, hat sich früher zwei Stunden täglich in Aerobic geübt und danach noch Gewichte gehoben. "Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass das Training für mich eine Flucht war", sagt sie. Unter den JoggerInnen am Strand von Santa Monica, die dort mit oder ohne Walkman ihre Meilen zurücklegen, blieben ihr die LeidensgenossInnen nicht verborgen: "Es gab einen Mann, der rannte dort jeden Morgen von sechs bis neun, und dann wieder nachmittags von drei bis fünf - inzwischen hat er mit dem Joggen aufgehört und ist ein fanatischer Hobby-Gärtner geworden." Während nach landesweiten medizinischen Erhebungen 60 Prozent der AmerikanerInnen zu wenig oder gar keinen Sport treiben, ruiniert sich eine Minderheit auf der Jagd nach dem "richtigen" Körperbild die Gesundheit - angefangen von verstauchten Knöcheln bis hin zum völligen körperlichen Zusammenbruch. Anfällig für die Fitness-Sucht sind sowohl Männer als auch Frauen. Umfassende statistische Erhebungen gibt es nicht. Unter den betroffenen PatientInnen behandeln PsychologInnen nach eigenen Angaben häufig magersüchtige Frauen, ehemalige AlkoholikerInnen und Ex-Junkies, die eine "gesündere" Abhängigkeit gewählt haben. (dpa)