Die ORF-Programmreform dürfte kommende Woche im ORF-Stiftungsrat noch für erhebliche Diskussionen sorgen, in den Grundzügen aber mit breiter Mehrheit abgesegnet werden. So lässt sich derzeit das Meinungsbild unter verschiedenen ORF-Stiftungsräten zusammenfassen. Von "extrem wichtigen" Innovationen spricht etwa Karl Krammer, Vorsitzender des SPÖ-"Freundeskreises" im obersten ORF-Gremium. "Das geht in die richtige Richtung, die Pläne sind sehr ambitioniert", meinte Krammer im Gespräch mit der APA.

Heilige Kuh "ZiB 1" wird geschlachtet

Eckpunkte des neuen Sendeschemas, das diese Woche von ORF-Chef Alexander Wrabetz präsentiert wurde und das nach der Zustimmung im Stiftungsrat mit April umgesetzt werden soll, sind die Stärkung des Vorabends, der Ausbau der Information und der Eigenproduktionen sowie die Platzierung inhaltlich anspruchsvoller Formate auf attraktiveren Sendeplätzen sind. Gravierendster Einschnitt ist dabei das Ende der Durchschaltung der "Zeit im Bild 1", die über viele Jahre als heilige ORF-Kuh galt. Mit dem Maßnahmenbündel will der ORF seine Marktposition behaupten und den Vorabend konsolidieren.

"Viele Anleihen bei Privaten"

"Erheblichen Klärungsbedarf" ortet indes Franz Medwenitsch, neuer Leiter des VP-"Freundeskreises": "Es scheint nämlich, dass das alte Zeiler-Schema vorne feierlich hinausgetragen wird und durch die Hintertür mit einem RTL-ähnlichen Vorabend von ORF1 mit Daily Soap und Infotainment wieder hereinkommt", befürchtet Medwenitsch die RTL-isierung des ORF. Der VP-Stiftungsrat sieht "sehr sehr viele Anleihen bei Privaten". Vieles werde von der konkreten Gestaltung abhängen. Medwenitsch möchte deshalb bei der Sitzung am 22. Februar einen "ersten Blick" auf Pilotsendungen der neuen Formate werfen. Wesentliche Fragen seien dabei noch zu klären: "Was bitte ist 'Wie bitte?', wie sehen die Daily Soap und das Szenemagazin konkret aus, wie lange dauert die neue 'ZiB-Newsline' wirklich und wie ist sie inhaltlich aufgebaut?" Von der Beantwortung dieser Fragen, werde dann das Stimmverhalten abhängig sein.

"Glatte Brüskierung"

Kritik übt Medwenitsch an der Informationspolitik des ORF: "Die Unterlagen über die Schemaänderung kommen in letzter Minute. Wenn ich schon in den Abendzeitungen im Detail lesen kann, was ich am nächsten Morgen als vertrauliche Information der Stiftungsräte in der Post habe, dann empfinde ich das als glatte Brüskierung. Für die ORF-Führung ist die Öffentlichkeitsarbeit offenbar viel wichtiger als die Kommunikation mit den eigenen Aufsichtsgremien. Ich lasse mich aber sicher nicht vor vollendete Tatsachen stellen und als Stimmvieh behandeln, das nur mehr absegnen darf, was ohnehin schon jeder kennt."

Krammer: "Grundzüge sind vernünftig"

Dass "Postfehler passiert sind, ist sicher nicht ideal, das kann man aber in den Ausschüssen und im Stiftungsrat nächste Woche alles nachholen", beschwichtigt Krammer. Eine "RTL-Geschichte" sieht er hinter den geplanten Neuerungen nicht. Fakt sei, dass viele Seher im Vorabend wegschalten und das alte Zeiler-Schema inzwischen erheblich in die Jahre gekommen ist. Fragen und Diskussionen in den Gremiensitzungen hält Krammer für selbstverständlich. "Die Grundzüge sehen aber schon sehr vernünftig aus."

Auch Küberl optimistisch

Positiv ist auch die erste Einschätzung des unabhängigen Stiftungsrats Franz Küberl. "Es ist sehr vernünftig, dass sich im Programmgefüge des ORF einiges bewegt. Das gilt sowohl für einige neue Formate, als auch für die geplanten Relaunches bei bestehenden Sendungen." Küberl glaubt jedenfalls an eine Zustimmung durch das 35-köpfige Gremium: "Ich glaube, dass eine Mehrheit der Stiftungsräte diese Entwicklung mit Erwartung sieht."

In Summe empfiehlt der Caritas-Präsident dem ORF aber das "Prinzip der ständigen Reform und Erneuerung". Lange Spannen zwischen Programmreformen, wie dies in der Vergangenheit der Fall war, wären heute nicht mehr gut. Besonders freut den Kirchenvertreter übrigens, dass die Sendung "kreuz&quer" am Dienstagabend einen früheren und längeren Sendeplatz bekommen soll. "Für mich ist diese Sendung eine gutes Beispiel dafür, dass man zur selben Zeit religiöse Kernschichten und religiöse Fernschichten erreichen kann." (APA)