Der Hochschulforscher Hans Pechar erklärte kürzlich an dieser Stelle ("Wer schützt uns vor den Datenschützern?" ) das Bildungsdokumentationsgesetz zum Meisterstück Elisabeth Gehrers. Kritiker werden bei ihm zu "vom Verfolgungswahn befallenen Obskuranten". Der wirres Zeug fabulierende grüne Bildungssprecher, also ich, werde bei nächster Gelegenheit wieder Krokodilstränen über fehlende Daten zur sozialen Selektion vergießen, so Pechar.

Nein, wenn schon Tränen, dann echte. Denn das genannte Gesetz ist hochgradig reparaturbedürftig, es liefert die nötigen Daten eben nicht. Früher stammten die Bildungsdaten aus jährlich von den Schulen weiterzuleitenden Erhebungen über Klassengrößen, Klassenwiederholungen, Kindern in Nachmittagsbetreuung etc. Mit dem Bildungsdokumentationsgesetz wurden diese Erhebungen eingestellt.

Fortan sollten die Daten jedes Einzelnen erhoben und 60 Jahre lang gespeichert werden.

Jedes Einzelnen? Schon bei der Beschlussfassung war klar, dass die Privatschulen aufgrund der durch die Ablehnung der SPÖ nicht vorhandenen Zweidrittelmehrheit nicht erfasst werden würden. Die Kritik der Datenschützer führte dazu, dass tausende Eltern die erforderliche Bekanntgabe der Sozialversicherungsnummer verweigerten. Somit wurde ein zumindest teilweise funktionierendes Erhebungssystem gegen einen nicht funktionierenden Gesetzespfusch eingetauscht.

Das bestätigt auch die neue Unterrichtsministerin in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung im Jänner 2007: "Der derzeitige Umfang und die Qualität der gemäß Bildungsdokumentationsgesetz erhobenen Schüler/innendaten ließen die Publikation der Kenndaten auf der gewünschten Detailtiefe noch nicht zu." Und das fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes.

Was braucht es wirklich? Zusätzlich zu den früher erhobenen Klassendaten würde eine jährliche Erhebung unter wenigen tausend Schüler/innen, Eltern und Lehrer/innen ausreichen, um die notwendigen Informationen zu liefern. Bildung, Einkommen, kulturelle Aktivitäten und der weitere Verlauf der Bildungskarriere der Eltern könnten dabei ebenso abgefragt werden, wie die für die schulische Unterstützung der Kinder aufgebrachte Zeit oder die Ausgaben für Nachhilfe. All diese Daten werden zur Zeit nicht erfasst. - Und das weit gehend anonymisiert. Die Orwell'sche Bildungsbuchhaltung über alle Österreicher/innen ist dafür ohnehin nicht geeignet.

Pechar kann auch nicht nachvollziehen, weshalb Unternehmen Interesse an den Daten haben sollten. Abgesehen davon, dass sich Unternehmen bei der Aufnahme von Mitarbeitern wohl doch für Teilleistungsschwächen interessieren könnten, ist Direktmarketing der Trend der Zukunft. Für die punktgenaue Bewerbung von Produkten in Zielgruppen gibt es wohl kaum eine bessere Quelle als den Zugang zur Bildungskarriere aller ÖsterreicherInnen.

Natürlich wäre das illegal. Wer aber glaubt, das Illegales nicht passiert, weil es illegal ist, ist ein Träumer. Datenschutz ist ja genau deshalb nötig, weil Missbrauch immer wieder stattfindet. (DER STANDARD Printausgabe, 20. Februar 2007)