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Das Interesse an naturwissenschaftlichen Ausbildungen bei Frauen ist immer noch zu niedrig

Foto: AP/Paul White
Die dazugewonnene Öffentlichkeit spornt für neue Taten an. Die Erhöhung des Frauenanteils in der industriellen Forschung ist nur ein Teil.

Frauen sichtbar machen

Die vergangenen zwei Jahre geben Anlass zur Freude, treiben an für weitere Taten und motivieren für die weitere Sichtbarmachung von Frauenkarrieren in der Forschung. Gertraud Oberzaucher, Programmverantwortliche für "FEMtech – Frauen in Forschung und Technologie" im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit), ist zufrieden. "Wir haben etwa mit 'FEMtech-Expertin des Monats' viel für mehr Öffentlichkeit für die Forscherinnen getan", sagt sie.

Kurz zur Erinnerung

Die Initiative "FEMtech-Expertin des Monats" wird von der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) durchgeführt und stellt jedes Monat eine Frau vor, die im Bereich Forschung und Technologie durch großartige Leistungen hervorsticht. Beim aktuellen Karrierenforum wurde neben aktuellen Arbeitsbedingungen von Forscherinnen auch über mögliche Lösungsmodelle für mehr Frauen in der industriellen Forschung gesprochen. Dieser Frauenanteil liegt im EU-Durchschnitt bei 18 Prozent – in Österreich lediglich bei 12,6 Prozent.Das, obwohl dieser Sektor mit rund zwei Dritteln aller F&E-Ausgaben am stärksten in Forschung und Entwicklung investieren würde. Der Anteil von Frauen in außeruniversitären Forschungseinrichtungen liege mit 21,4 Prozent etwas höher.

Verpflichtung zur Frauenförderung

Mit "FEMtech Karrierewege" stellte Oberzaucher ein Modell vor, das gemeinsam mit der Industriellenvereinigung, mit Universitäten sowie Vertretern aus der Industrie entwickelt worden ist, um den Anteil der Frauen in der industriellen Forschung zu erhöhen. Neu sei, so Oberzaucher, dass jeder Part seine Verpflichtungen habe, eine vertragliche Bindung der Universitäten beziehungweise der Unternehmen hinsichtlich der Karriereförderung von Frauen in der industriellen Forschung. Das Modell sei bislang gut angekommen und stehe zurzeit in der Einreichphase.

Neben Oberzaucher waren Birgit Musil von Austria Bioenergy Center, Monika Schönerklee von den Austrian Research Centers, Silke Bühler-Paschen, Professorin am Institut für Festkörperphysik an der TU Wien, Hans Sünkel, Rektor der TU Graz, und Gerhard Riemer, Bereichsleiter für Bildung, Innovation und Forschung in der Industriellenvereinigung (IV) zur Diskussion geladen.

Weibliche Zuwächse

Langsam komme etwas in Bewegung. TU-Graz-Rektor Sünkel freut sich über eine Frauen-Zuwachsrate von 27 Prozent bei den Erstsemestrigen. Nicht nur Architektur- und Chemie-Studentinnen, wie er sagt, sondern Mathematikerinnen und Physikerinnen. Die Frage, ob die TU Graz über das Anreiz-Programm "excellentia" vom Rat für Forschung und Technologie Professuren weiblich besetzen konnte, verneint er: "Immer wenn es so weit war, wurden die Forscherinnen ins Ausland abberufen."

Botschafterfunktion

Erst heuer werde die TU Graz vom Programm Gebrauch machen können. Das Abwerben von Forschern sehe er nicht negativ, sie seien dadurch vielmehr Botschafter der eigenen Institution. "Schlimm wäre es", so Gerhard Riemer, "wenn wir ihnen keine so attraktiven Möglichkeiten bieten könnten, um sie zurückholen zu können." Den Aufbau eines Netzwerks, der auch über diesen Weg erfolgen könne, halte er für immanent. Zurück zu den Forscherinnen: Birgit Musils Vorgesetzter, so erzählt sie, lege Wert auf Frauen im Team – "es wären sicher noch mehr mit dabei, wenn sie verfügbar wären", sagt sie.

Konfrontation mit konservativen Ansichten

Zurzeit sei ein Fünftel des Teams weiblich. Nach innen sei die Situation als Forscherin in einer privaten Institution nie ein Thema gewesen, nach außen hin allerdings schon. Musil: "Manche Firmenpartner sind konservativ, sie wollen nur mit Männern zusammenarbeiten." Auch Monika Schönerklee wurde erst im Rahmen ihrer Sponsion bewusst, dass sie – als 25. weibliche Absolventin der Kulturwirtschaft an der Boku – eine rare "Spezies" ist. Im Geschäftsfeld Wasser des Bereiches Biogenetics – Natural Resources der Austrian Research Centers seien sie als Frauen zu zweit. Insgesamt zählt der Bereich 22 Mitarbeiter. Die Anzahl der Frauen sei aber je nach Abteilung verschieden hoch, sagt sie.

Familie und Beruf unter einem Hut

Silke Bühler-Paschen zählt zu der kleinen Zahl der Professorinnen an der TU Wien. Die Mutter von drei Kindern forschte zuletzt bei der Max-Planck-Gesellschaft in Dresden. Die Familienplanung habe sie lange überlegt: "Ich hatte Kontakt mit französischen Forscherinnen – dort ist das völlig normal", sagt sie, "und dort habe ich mir auch was abgeschaut." Man müsse sich bewusst sein, dass man Hilfe brauche, sagt sie. Dabei sei die Situation als berufstätige Eltern in Dresden einfacher und günstiger zu organisieren gewesen als hier in Wien. Das "DDR-Relikt" der Kinderkrippe habe die Vereinbarkeit für sie und ihren Mann erheblich vereinfacht, sagt sie. Den Job habe sie sich aber nie nach den Kriterien einer Kinderbetreuung ausgesucht.

Dabei sei die Kinderbetreuung das Um und Auf, sagt Sünkel. An der TU Graz habe man eine Kinderkrippe auch für studierende Mütter eingerichtet, die auch stundenweise bereitstehe – um einen symbolischen Beitrag von einem Euro. Auch Oberzaucher gibt zu bedenken, wie wichtig das Thema Vereinbarkeit unter den Forscherinnen ist: "Von den 22 FEMtech-Expertinnen haben sechs Kinder", sagt sie. An den tradierten Rollen müsse erheblich gerüttelt werden, um weiterhin mehr Frauen in der Forschung adäquat Fuß fassen zu lassen, so der Tenor.

In den Schulen ansetzen

Beginnend beim Umgang mit naturwissenschaftlichen Fächern in den Schulen. An der TU Graz werden während der Sommerferien Mädchen an die Institute geholt und fachlich betreut, als Ferialpraktikantinnen werden sie mit 500 Euro im Monat entlohnt. Ein Modell, das auf die Buben ausgeweitet werden soll. Und: Man müsse an der Art der Vermittlung naturwissenschaftlicher Gegenstände in den Schulen endlich etwas verändern, schließt sich Gerhard Riemer an.

Mehr Interesse wecken

Diese Diskussion werde bereits seit geraumer Zeit geführt, und es habe sich immer noch zu wenig getan. Es werde immer noch zu wenig Interesse an naturwissenschaftlichen Zusammenhängen geweckt, sagt er. Problematisch sei zudem, so Sünkel weiter, dass etwa die TU Graz rund 50 Prozent aller Studierenden an den HTLs rekrutiere, dort aber grundsätzlich weniger Mädchen anzutreffen seien. Die Zahl der Frauen in technischen Fächern sei somit automatisch limitiert. Interdisziplinarität sei der Schlüssel, sagt Sünkel. Im Studiengang Biomedical Engineering finden sich 34 Prozent Frauen, was gigantisch sei. (Heidi Aichinger, Der Standard, Printausgabe, 24./25.02.2007)