Seine Philosophie ist es nicht, Lehrlinge künftig leichter kündigen zu können. Sie will dafür einen "Tag des Lehrlings" einführen: Egon Blum (li.) und Christine Marek (re.).

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STANDARD: Herr Blum, Sie sollen ein Problem lösen, das die Regierung allein offenbar nicht in den Griff bekommt. Wie werden Sie das anstellen?

Blum: So war die Aufgabenstellung durch die Regierung nicht. Ich bekam mein Mandat verlängert in der Erwartung, dass ich dort weitermache, wo ich in den vergangenen drei Jahren unterwegs war.

STANDARD: Frau Staatssekretärin, reicht es aus, wenn alles so weitergeht wie bisher?

Marek: Der bisherige Weg war richtig, aber wir müssen zusätzlich gewisse Schrauben anziehen. Wir kennen jetzt die Zahlen seit der Einführung des Blum-Bonus. Daher wissen wir, wo es zusätzlichen Handlungsbedarf gibt. 43 Prozent aller durch den Blum-Bonus geförderten Lehrstellen sind von Mädchen besetzt, aber wir müssen auch schauen, in welche Lehrberufe sie gehen. Das müssen wir künftig besser steuern.

STANDARD: Nicht alle sind vom Blum-Bonus so begeistert wie Sie beide. Die Arbeiterkammer kritisiert "Mitnahme-Effekte", AMS-Experten sagen, dass die Zunahme an Lehrstellen gering ist.

Blum: Viele Betriebe haben sich von der Ausbildung verabschiedet. Wir haben jährlich 20.000 Betriebe, die dicht machen, davon ist jeder achte ein Ausbildungsbetrieb. Wir haben über den Blum-Bonus erst den Verlust vieler Ausbildungsplätze kompensieren müssen. Erst dann kann man ein Plus an Lehrstellen verzeichnen. Was die Mitnahmeeffekte betrifft, kann ich die Arbeitnehmer-Vertreter nur bitten, dass sie mir diese Fälle konkret aufzeigen. Dagegen will ich nämlich etwas tun. Aus meiner Sicht liegt der Missbrauch bei zirka fünf, maximal zehn Prozent.

STANDARD: Aber wie nachhaltig schaffen Sie dadurch Arbeitsplätze? Ist es nicht so, dass viele Lehrlinge, die so ausgebildet werden, gleich nach der Lehre – und dem Ende des Bonus – gekündigt werden?

Blum: Das Versprechen, dass der Arbeitsplatz bleibt, wurde ja nie gemacht. Die Alternative zum Blum-Bonus, also zur Schaffung von Lehrstellen, ist ja, in die Schule zu gehen. Sehen Sie sich an, welche Jobchancen diese Leute dann haben. Wir schaffen Lehrstellen für Jugendliche, die sonst nichts hätten.

Marek: Und wir stellen Beschäftigungsfähigkeit her. Je besser die Ausbildung, desto besser die Beschäftigungsfähigkeit. Kein Mensch gibt heute noch eine Jobgarantie.

STANDARD: Ist es nicht das falsche Signal, dass Lehrstellen nur geschaffen werden, wenn es dafür Steuergeld gibt?

Blum: Dazu muss man die Philosophie des Blum-Bonus verstehen. Betriebe sollen zur Ausbildung von Jugendlichen motiviert werden, die sonst aufgrund ihrer mäßigen Lernleistung keine Lehrstelle finden würden. Wir geben Geld, weil wir davon überzeugt sind, dass der Jugendliche mehr Zuwendung und Unterstützung vom Unternehmer braucht. Sonst würde er auf der Straße stehen.

STANDARD: Die Regierung plant den Ausbau der überbetrieblichen Lehrlingsausbildung. Schafft man hier künstliche Welten?

Marek: Wir haben im Regierungsübereinkommen die Ausbildungsgarantie für Jugendliche festgeschrieben. Daher müssen wir auch Auffangnetze aufbauen. Natürlich schafft man damit auch eine eigene Realität. Allerdings glaube ich, dass das dennoch gut funktionieren kann, wenn es uns gelingt, die Wirtschaft ins Boot zu holen.

Blum: Die überbetriebliche Ausbildung ist für mich schon eine echte Alternative zur Lehrlingsausbildung, vor allem dann, wenn es wenige Unternehmen gibt.

STANDARD: Besteht aber nicht die Gefahr, dass sich dann immer mehr Betriebe zurücklehnen und nichts tun, weil es ja diese Alternative gibt?

Blum: Genau das ist nicht der Fall. Wenn Sie als Unternehmer einen Lehrling ausbilden, erreichen Sie dadurch eine Art Qualifikation und Identifikation, die direkt auf Ihren Betrieb zugeschnitten ist. Ein Unternehmen, das die Qualitätsinfrastruktur für sich sichern will, bildet immer selbst aus.

STANDARD: Warum wollen aber immer weniger Firmen Jugendliche ausbilden?

Blum: Vor allem die kleinen Unternehmen bekommen nicht mehr die Lehranwärter, die sie bräuchten, um eine gute, qualifizierte Fachkraft daraus zu machen. Ein Lehrling kostet rund 70.000 Euro, wenn man ihn im Hightech-Bereich ausbildet, das ist so viel, wie ein HTL-Absolvent etwa kostet. Man wird dieses Geld nicht investieren, wenn man meint, dies bringe nichts.

STANDARD: Hat das Schulsystem versagt?

Marek: So kann man das nicht sagen. Es gibt sehr viele sehr gute Schulen, die auch in Sachen Berufsorientierung viel tun. Aber hier gibt es sicherlich Reformbedarf – auch bei den polytechnischen Lehrgängen, vor allem in den Ballungsräumen. Die Weiterbildung für das Ausbildungspersonal ist ein wichtiges Thema, um das wir uns kümmern müssen. Es gibt polytechnische Lehrgänge, die exzellent sind und solche, die dieses Niveau nicht annähernd erreichen.

Blum: Ich kann von polytechnischen Schulen nur das Beste sagen. Ich habe im Westen exzellente Beispiele kennengelernt. Das Hauptschulwesen und das Polytechnikum ist doch ein Super-Ding als Berufsvorbereitung. Ich möchte das nicht missen, vor allem nicht im ländlichen Raum. Dazu kommt, dass der Trend zur Schule immer größer wird, das Potenzial für Lehre immer kleiner. 2015 wird es um zirka 18.000 Jugendliche pro Jahr weniger als heute geben. Da werden wir müde dreinschauen, wenn wir das Image der Lehre nicht verbessern.

STANDARD: Sie meinen, in zehn Jahren werden sich die Firmen um Lehrlinge reißen?

Blum: Ich habe 1970 bei der Firma Blum die Lehrlingsausbildung aufgebaut. Unser Mitbewerber hat damals jedem Lehrling, der zu ihnen kam, ein Moped geschenkt. Dahin werden wir wieder kommen.

STANDARD: Und wieso holt man dann lieber Facharbeitskräfte aus dem Ausland, statt selbst auszubilden?

Marek: Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Bis die Lehrlinge, die wir mit dem Blum-Bonus gefördert haben, fertige Facharbeitskräfte sind, dauert es noch ein paar Jahre. Die Betriebe müssen aber auch ihren akuten Mangel kurzfristig überbrücken.

STANDARD: Der Finanzminister will Steuerzuckerln an jene Firmen verteilen, die schwer vermittelbare Arbeitnehmer aufnehmen. Finden Sie das gut?

Marek: Das ist ein Teil der Lösung. Es wird immer wieder Menschen geben, die schwer in den Arbeitsmarkt integrierbar sind. Es ist vertretbarer, dass sie durch steuerlich geförderte Maßnahmen Arbeit finden, statt dass wir die Erwerbslosigkeit fördern.

Blum: Wenn wir nichts tun, werden diese Menschen sozial abgleiten. Es kann nicht sein, dass wir die Sozialmilliarde dazu einsetzen, Probleme erst entstehen zu lassen und dann zu pflegen.

STANDARD: Der Kündigungsschutz für Lehrlinge soll gelockert werden. Ist das nicht kontraproduktiv?

Blum: Minister Bartenstein hat hier einem Wunsch der Sozialpartner entsprochen. Also muss ich davon ausgehen, dass beide Partner damit einverstanden sind, und ich werde mich bemühen, daraus eine Win-win-Situation zu machen. Meine persönliche Philosophie ist es nicht. In meiner Tätigkeit bei Blum in 35 Jahren habe ich keinen einzigen Lehrling hinausgeschmissen.

STANDARD: Frau Staatssekretärin, verraten Sie Ihre Klientel, wenn Sie dem zustimmen?

Marek: Nein, überhaupt nicht. Ich sehe auch die Problematik vor allem in den kleinen Betrieben. Aber ich sehe auch, dass Lehrlinge einen extremen Schutzbedarf haben. Daher spannen wir auch das Auffangnetz und installieren gleichzeitig ein Mediationsverfahren, damit nicht eine Kündigung mehr ausgesprochen werden muss. Und wir müssen in den Köpfen etwas ändern. Es herrscht ja noch immer das Vorurteil, dass man eine Lehre macht, wenn man nicht das Zeug zur Schule hat. Ich möchte ab Frühjahr 2008 einen österreichweiten "Tag des Lehrlings" machen, wo man die Betriebe und ihre Lehrlinge vor den Vorhang bittet. Da gibt es tolle Leute. Es muss cool und sexy werden, eine Lehre zu machen. (Petra Stuiber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24./25.2.2007)