Von politischen Rednern staatstragender Ausrichtung wird Integration gern als Prozess des Gebens und Nehmens zwischen den Zuwanderern und der Aufnahmegesellschaft bezeichnet. „Heimattreue“ Kreise wiederum, von H.-C. Strache bis hin zum Mainstream in der ÖVP und der SPÖ, bürden gern den Ausländern einen Großteil der – wenn nicht gar die gesamte – Holschuld auf.

Wer neu nach Österreich kommt, habe sich gefälligst anzupassen, meinen sie. Doch ob die herrschenden Anpassungsbedingungen – rechtlich wie gesellschaftlich – geeignet sind, bei den Neuen im Land Heimatgefühle überhaupt aufkommen zu lassen, wird nicht beachtet.

Verfassungsgerichtshof

Mit der Kritik an einigen dieser gesetzlichen Bedingungen – und somit mit der Integrations-Bringschuld des politischen Österreich – beschäftigt sich seit Wochenbeginn der heimische Verfassungsgerichtshof. Auf das Grundrecht hin geprüft werden Paragrafen, die seit Anfang 2006 – als das neue, strenge Asyl- und Fremdenrecht in Kraft getreten ist – das Leben von Ausländerinnen in Österreich beeinflussen. Und zwar nicht zum Besseren, wie Berichte im Standard und anderswo über illegalisierte binationale Paare, Schubhaftexzesse bei Flüchtlingen und Abschiebeversuche bei beliebten, in Gemeinden seit Jahren integrierten Asylwerbern an den Tag gebracht haben.

Dabei geht es – Stichwort Schubhaft – um nichts Geringeres als um das Recht auf persönliche Freiheit. Um das Recht auf Privat- und Familienleben, das die Initiative „Ehe ohne Grenzen“ – und nicht nur sie – im Fall binationaler Paare derzeit stark eingeschränkt sieht. Es geht um die Gleichheit vor Sozialgesetzen, die selbst berufstätigen Asylwerbern Familienbeihilfe vorenthalten: Zusammengefasst also um Rahmenbedingungen, die grundlegenden Einfluss auf den Wohlfühlfaktor im Aufnahmeland haben – und somit auf den Integrationswillen der neu Hinzugekommenen.

Woher soll denn der Ehrgeiz kommen?

Woher denn soll dieser Ehrgeiz zum Beispiel bei einem jungen Afrikaner kommen, der aus Liebe eine Österreicherin geheiratet und somit den Willen zur Familiengründung dokumentiert hat – und der dennoch keine realistische Aussicht auf eine Niederlassungsbewilligung hat? Was ist von ihm anderes zu erwarten als Resignation oder Einzelkämpfertum in einer Gesellschaft, die ihm rein verbietend und obrigkeitsstaatlich entgegentritt?

Wie sollen Mitglieder einer afghanischen Flüchtlingsfamilie die Offenheit aufbringen, sich mit den für sie völlig ungewohnten Lebensumständen in Österreich auseinanderzusetzen, wenn das Erste, was sie hier erleben, die Trennung vom Vater ist, den Fremdenpolizisten in die Schubhaft abtransportieren? Fälle wie diese, die unterm strengen Fremdenrechtspaket seit vergangenem Jahr hundertfach eingetreten sind, zeigen: Die repressive heimische Ausländerpolitik produziert die Integrationsdefizite, über die ihre Befürworter und deren Wasserträger so wortreich klagen, zu einem Teil selbst.

Verzweifelte E-Mails

Sie produziert diese Hemmnisse auch weiter oben in der von Gesetzen und Vorurteilen geschaffenen Ausländerhierarchie – etwa beim Staatsbürgerschaftsrecht. Die Zahl einschlägiger Zuschriften an Redaktionen zeigt es: Keine Woche ohne E-Mails oder Briefen von verzweifelten – und rein theoretisch durchaus berechtigten – Einbürgerungswilligen, die an kakanisch aufgeblähten rechtlichen Hürden zu scheitern drohen.

Doch, es gibt sie – die offenherzigen, klientenorientierten Magistrats-Mitarbeiter, auch im Umgang mit Nichtösterreichern! Aber hierzulande haben sich in fremdenrechtlichen Belangen auch die Traditionen autoritären Beamtentums in einem Ausmaß gehalten, das Inländer – würden sie ähnlich behandelt – zur Einschaltung des Volksanwalts bewegen würde. Solche Zustände machen das Land für die Herausforderungen der Integration nicht gerade fit – und die Gesetze, die den Höchstrichtern jetzt zur Prüfung vorliegen, weisen in die verkehrte Richtung. (Irene Brickner, DER STANDARD, Printausgabe 28.2.2007)