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Geiselnehmer wollte mit seinem Überfall auf die Bawag-Filiale auf der Mariahilfer Straße anscheinend Aufmeksamkeit erregen

Foto: APA/ GUENTER ARTINGER

Wien – "Heute werdet ihr was erleben: Mit diesen Worten stürmte Günter B. am Dienstag in die Bawag-Filiale in der Mariahilfer Straße 22. Ziel des 39- Jährigen aus Wien-Floridsdorf dürfte es gewesen sein, auf seine Probleme aufmerksam zu machen. Das ergaben erste Einvernahmen des Mannes, der sich mit sieben Geiseln fünf Stunden lang in der Bank verschanzt hatte.

Ex-Freundin besuchte ihn mit neuem Freund

Auslöser der Tat dürfte ein "persönliches Lebensproblem" gewesen sein. "Es sieht so aus, als hat für ihn die Bank als Medium fungiert". Seine Lebensgefährtin hatte den Vater einer 19-jährigen Tochter verlassen. Kurz vor der Tat besuchte sie ihn mit ihrem neuen Freund.

Geldprobleme

Günter B. drückten auch "massive Geldprobleme", wie Gerhard Haimeder von der Wiener Kriminaldirektion 1, sagte. Seinen Schuldenberg dürfte der Wiener durch seine Spielsucht angehäuft haben. Wegen Diebstahls, Einbruchs und Raubüberfalls stand er bereits vor Gericht.

Mindeststrafe

Das Strafmaß im Falle einer Verurteilung hängt davon ab, ob die Staatsanwaltschaft Bankraub, räuberische Erpressung oder Freiheitsberaubung anklagt. Sicher ist, dass die Verwendung einer Plastikpistole die Mindeststrafe für einen Raub deutlich herabsetzt. Denn während laut Gesetz für den "schweren Raub", bei dem eine echte Waffe verwendet wird, zwischen fünf und 15 Jahre Gefängnis drohen, sind es für einen "normalen" Raub nur ein bis zehn Jahre.

Geiseln geht es gut

Den sieben Ex-Geiseln gehe es "den Umständen entsprechend gut", sagte Banksprecher Thomas Heimhofer am Mittwoch.

Die Bawag Mitarbeiter seien derzeit vom Dienst freigestellt. Für eine Rückkehr habe man ihnen keine Frist gesetzt.

Stimmungsschwankungen

Die von der Gruppe Schaffer geführten Verhandlungen mit dem 39-Jährigen in der BAWAG-Filiale in der Mariahilfer Straße gestalteten sich schwierig. Der Täter hatte starke Stimmungsschwankungen, sagte Major Gerhard Winkler von der KD 1, Leiter des Verhandlungsteams. "Seine Emotionslage war anfangs weinerlich und depressiv." Später legte Günter B. auch aggressives Verhalten an den Tag. "Es gab immer wieder einen Wechsel in der Stimmungslage." "Dass die Situation gekippt wäre, die Gefahr kam nicht auf", sagte Winkler.

Gutes Verhältnis zur Ex-Freundin

"Obwohl er die Trennung von seiner Freundin mit eine Ursache war, hatte er mit ihr noch immer einen guten Kontakt", erläuterte Winkler. Das hätten sich die Verhandler zu Nutze machen können: Vorsorglich brachte die Polizei die Frau zum Tatort, damit sie in die Gespräche eingreifen hätte können, wenn es notwendig geworden wäre. Auch die Freunde, mit denen der 39-Jährige in der Nacht zuvor unterwegs gewesen war, und sein Bruder standen bereit.

Wann solche Vertrauten eines Täters hinzugezogen werden, sei eine Entscheidung des Verhandlungsteams, so Winkler. "Das ergibt sich aus der Gesprächssituation. Da gibt's kein 08/15-Programm."

Täter verfolgte die Medienberichte mit

Es habe aber ein paar Sachen gegeben, "die ihn gestört haben". Günter B. hatte eine Verbindung zur Außenwelt per Internet und verfolgte die Medienberichte mit. "Ein Anruf von einem Medienvertreter ist schon ein Gefahrenpotenzial", kritisierte der Major.

Anruf in der Bank

Ein "Österreich"-Journalist hatte am Dienstag in der betreffenden Bawag-Filiale angerufen und mit dem Geiselnehmer Kontakt aufgenommen. Auch Live-Berichte des Wiener Stadtsenders Puls TV hatten die Exekutive beunruhigt.

Auch Innenminister Günther Platter appellierte bei einem Empfang für die an der Geiselnahme beteiligten Polizeikräfte an die Medien, "prinzipiell und insbesondere bei solch sensiblen Einsätzen" so vorzugehen, dass "die Polizei ungehindert arbeiten kann". Solche Störungen können "fatale Folgen haben", sagte der Minister.

Staatspolizei entscheidet über Fall

Wiens Vizepolizeipräsidentin Michaela Pfeifenberger kündigte an, dass das Verhalten der Berichterstatter bei der Geiselnahme Teil der Sachverhaltsdarstellung an die Wiener Staatsanwaltschaft wird. Der zuständige Staatsanwalt habe danach zu entscheiden, ob manche Aktionen wie zum Beispiel der Anruf am Tatort strafrechtlich relevant sind. Das Gespräch des Journalisten mit dem Geiselnehmer nannte Pfeifenberger "ein äußerst verantwortungsloses Verhalten". Lob hatte Pfeifenberger für den Sender Puls TV, der nach den entsprechenden Hinweisen der Polizei seine Kamerapositionen geändert habe. Zudem kam von dem Sender die Anregung für ein Seminar zum Thema "Zusammenarbeit von Polizei und Medien bei Sonderlagen".

Kein Forum für Kriminelle in den Medien

Kritik kam auch von Medienexperten. Engelbert Washietl, Vorsitzender der Initiative Qualität im Journalismus, gab zu bedenken, dass es eine "ungeschriebene Regel gibt, dass man Kriminellen kein Forum in den Medien geben darf". Der Salzburger Kommunikationswissenschafter Roman Hummel sah den in Österreich nicht existenten Presserat gefordert und die FPÖ, allen voran Barbara Rosenkranz, brachte eine parlamentarische Anfrage ein, mit der das Verhalten der Tageszeitung "Österreich" geklärt werden soll.

Jener Journalist von "Österreich", der mit dem Geiselnehmer telefonierte, gab bekannt, dass er niemanden in Gefahr bringen wollte: "Ich habe mich bemüht, deeskalierend mit dem Geiselnehmer zu sprechen." Am Rande des Empfangs bei Platter war unter Polizeibeamten zu hören, dass sich Vertreter der Tageszeitung "Österreich" bei der Exekutive entschuldigt hätte. (APA)