Boka Kotorska

Foto: Ministeriums für Tourismus der Regierung der Republik Montenegro

Durmitor - Crno jezero

Foto: Ministeriums für Tourismus der Regierung der Republik Montenegro
Josip Broz Tito war ein "Wellness"-Anhänger, noch bevor es diesen Begriff überhaupt gab. In Igalo, dem heute zu Montenegro gehörendem Meereskurort, ließ sich der jugoslawische Diktator sogar eine eigene Residenz bauen, um so oft wie möglich in den Genuss der Heilschlamm-Anwendungen und des mineralhaltigen Wassers zu kommen. Seine "Villa Galeb" wird heute für den Empfang hoher politischer Gästen aus dem Ausland genutzt, und auch lange nach seinem Tod im Jahr 1980 ist Tito als Testimonial der Kuranstalten allgegenwärtig.

An den mediterranen Kurort knapp nach der kroatischen Grenze zog es aber seither nicht nur Berühmtheiten, sondern auch gewöhnliche Urlauber aus dem ehemaligen Jugoslawien, die sich von einem Aufenthalt die Heilung ihrer rheumatischen Beschwerden erhoffen. Bei der Behandlung von Hautkrankheiten und Durchblutungsstörungen wird Igalo ja bis heute hohe Kompetenz nachgesagt. Eines der alt eingesessenen Häuser im Ort, das Institut Igalo, verfügt dementsprechend über eine Hundertschaft an medizinischem Personal, das den leicht radioaktiven Meeresschlamm - man sagt hier gerne "Schwarzes Gold" dazu - zu Behandlungen einsetzt. Ganz dem internationalen Trend entsprechend, kam aber auch hier vor allem in den letzten Jahren ein umfassendes Massage-, Wellness- und Sportangebot hinzu.

Gleich neben der Kurzentren-Hochburg Igalo liegt Herzeg Novi, das auch den Eingang zur Bucht von Kotor markiert. Der milde Winter in diesem Teil Montenegros treibt zwar schon früh Touristengruppen durch die engen Gassen der Altstadt, doch lohnt sich ein längerer Aufenthalt ob des kulinarischen Angebots und den herrlichen Uferpromenaden venezianischer Prägung allemal.

Nach nur einer halben Stunde Autofahrt auf der Küstenstraße kommt man schließlich nach Kotor, in jene prächtige Kleinstadt mit dem Status eines Unesco- Weltkulturerbes, die als das touristische Zentrum der knapp 300 Kilometer langen Küstenlandschaft gilt. Steht man direkt vor den dicken Stadtmauern der Altstadt, drohen einen die "schwarzen Berge" fast zu erschlagen, so steil ragt ihr Grat aus der dunklen Adria hervor.

An der breiten Hafenpromenade wird geräucherter Käse und Schinken verkauft, Textil- und Schmuckhändler haben ihren Fixplatz. Aber auch hier scheint man sich auf die Bedürfnisse der Kurgäste voll und ganz eingestellt zu haben, denn die Auswahl an Jogginganzügen stellt alles andere in den Schatten. Die Kurorte sind hier im Gegensatz zu Istrien rein jugoslawischer Prägung, aber der lange Arm der Habsburger-Monarchie lässt sich zumindest noch aus sprachlicher Sicht herleiten: Als Relikt der über hundertjährigen Herrschaft findet man praktisch in jeder Imbissbude noch die "Palaèinka".

Hinter Kotor mit Motor

Für die spektakuläre Auffahrt ins Hinterland von Kotor bieten sich die breiten Serpentinen-Straßen an, die immer wieder erhabene Blicke über die Bucht ermöglichen. Dort findet sich im Gebirge Lovæen auch gleich eines der vier Naturschutzgebiete Montenegros. Das Umland lässt sich zwar bequem per Auto erkunden, beschilderte Wanderwege führen aber noch tiefer in den Park hinein.

Noch relativ leicht machbar ist ein Besuch auf dem zweithöchsten Berg des Lovæen, wo sich in 1657 Metern Höhe das Grabmal des montenegrinischen Bischofs und Dichterfürsten Petar Njego befindet. Der mit zähem Treppensteigen verbundene Besuch des Gipfels lohnt sich nicht nur wegen des atemraubenden Ausblick über Montenegros Küsten- und Berglandschaft: Mit dem Abstieg in das düstere Gemäuer des Mausoleums macht sich bei so manchem Besucher eine neue Dimension von Einsamkeit breit, die hier ohne größeren Aufwand und immer in unmittelbarer Nähe der Küste zu haben ist. Naturschutzgebiete wie den Skutari-See muss man sich härter verdienen, dafür stehen dort die Chancen gut, dass man einen der letzten wildlebenden Pelikane Europas zu Gesicht bekommt.

Am Fuß des Lovæen-Gebirges, vorbei am touristischen Budva mit seinen architektonischen Exzessen, birgt der Süden des Landes noch ein Kleinod sozialistischer Sanatoriumskultur. Im bereits stark orientalisch geprägten Ulcinj, knapp vor der albanischen Grenze, liegt der "Frauenstrand": Zu Zeiten Titos reisten Frauen aus allen jugoslawischen Teilgebieten hierher, um dort auf Kosten der Krankenkassen eine Kur zu genießen. Auch heute noch zieht es Jung und Alt an den Zenska Plaza, der im Ruf steht, Unterleibsbeschwerden und womöglich auch noch Unfruchtbarkeit zu kurieren. Ob ein Aufenthalt tatsächlich den sehnlichen Kinderwunsch erfüllt, gilt heute als umstritten, wenngleich die Betreiberin einer kleinen Privatpension im Zentrum von Ulcinj ganz richtig feststellt: "Es zählt wohl auch der Glaube."

Ganz sicher ist, dass das Wasser am Frauenstrand eine besondere Zusammensetzung hat. Seit Jahrzehnten werden dort erhöhte Mengen an Salzen, Jod und Radium gemessen. Hinzu kommt eine unterirdische Schwefelquelle, die in der Grotte an die Oberfläche gelangt und je nach Windlage für den typisch faulig-süßlichen Geruch sorgt. Ein Besuch lohnt sich vor allem für jene, die dem geschäftigem Badebetrieb ausweichen wollen und keine Berührungsängste mit FKK-Kultur haben. Dem spröden Charme eines Sanatoriums verpflichtet, verzichtet man hier jedenfalls auf jeglichen Luxus und reibt sich im knietiefen Wasser mit Uferschlamm ein.

Etwas kühl könnte es in der frühen Jahreszeit vielleicht noch am Velika Plaza werden, dem großen Strand am anderen Ende von Ulcinj. Der Aufenthalt ist freilich auch hier mit einem "medizinischen" Zusatznutzen verbunden: So soll der feine, gräulich gefärbte Sand mit seinen leicht radioaktiven Anteilen bei rheumatischen Beschwerden helfen. Besucher, die sich selbst therapieren, erkennt man vor allem daran, dass sie mehrere Stunden reglos bis zum Kopf im Sand begraben an diesem herrlichen Fleckchen Erde verweilen. Hier funktioniert das Wellness-Konzept wie gewohnt: Therapeutisch fragwürdig, aber seelisch unschlagbar. (Ina Freudenschuss/Der Standard/Printausgabe/3./4.3.2007)