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Der Mensch in der Computertomografie betrachtet ist tatsächlich gläsern geworden. Nicht nur Blutgefäße und Knochen werden sichtbar gemacht, auch ein unregelmäßiger Herzschlag kann erfasst und bildlich dargestellt werden.

Foto: APA/EPA
Europas Radiologen tauschen am ECR-Kongress von 9. bis 12. März in Wien ihre neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu bildgebenden Verfahren aus.

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In den Wiener Hotels weiß man seit Langem, dass zwischen 9. und 12. März zahllose Ärzte in die Stadt kommen werden. Grund dafür ist der European Congress of Radiology (ECR), zu dem 16.000 Teilnehmer aus 92 Ländern zusammenkommen und Know-how austauschen werden. Das ist in diesem medizinischen Fachbereich besonders notwendig, denn es gibt kaum eine andere Disziplin in der Medizin, die so stark Innovationszyklen unterworfen ist wie die Röntgenologie.

Rasanter Fortschritt

Das liegt an der Geschwindigkeit des technischen Fortschritts in den bildgebenden Verfahren. Mit Multidetektor-Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MR) wird der Mensch von Jahr zu Jahr durchsichtiger, wird sein Innerstes bis auf molekulare Ebenen nach außen gekehrt und auf dem Bildschirm dargestellt. Im Austria Center Wien zeigen die Hersteller von Medizintechnik, was ihre Geräte heute bereits alles leisten können.

Worum es beim Einsatz von CT und MR geht? Diagnosen frühzeitig zu stellen, Anomalien in Organen exakt zu erkennen oder Therapien begleiten zu können. Die Radiologie wird interventionell mittlerweile auch therapeutisch eingesetzt, etwa beim Weiten von Blutgefäßen, bei Schmerztherapie oder Tumor-Verödung.

Trotzdem: Der bloße technische Fortschritt alleine bedeutet keine Verbesserung. "Wir wollen uns verstärkt als klinisches Fach positionieren, die Geräte alleine machen unsere Arbeit nicht aus," sagt Gerhard Mostbeck, Präsident der Österreichischen Röntgengesellschaft und Vorstand des Instituts für Radiodiagnostik am Sozialmedizinischen Zentrum Baumgartner Höhe, Otto-Wagner-Spital.

Zuerst Beweise

Er pocht auf "evidence-based medicine". Es gehe darum, erst Beweise für den nutzbringenden Einsatz besserer Verfahren zu erbringen, um im nächsten Schritt Leitlinien für den Einsatz der millionenteuren Maschinen treffen zu können, erklärt Mostbeck. In der Praxis ist es aber so, dass bevor solche Studien überhaupt abgeschlossen sind, bereits ein vermeintlich noch besseres Gerät auf den Markt kommt. Hier, so Mostbeck, müsse man kritisch und ökonomisch verantwortlich Innovation richtig einschätzen. Anders stellt sich die Situation allerdings dort dar, wo moderne bildgebende Verfahren belastende und invasive Untersuchungen ersetzen, etwa bei angiografischen Untersuchungen, die durch den Einsatz von CT und MR-Angiografie für den Patienten wesentlich angenehmer und schmerzfrei gestaltet werden können als bisher. Hier sind Untersuchungen am schlagenden Herz eine Art Königsdisziplin, in der sich Röntgenologen in Wien weiterbilden.

Ebenfalls ein heißes Thema ist das Für und Wider um Screening-Programme zur frühzeitigen Diagnose von Brust-, Dickdarm- und Lungenkrebs. Auch hier müsse abgewogen werden, sagt Mostbeck und weiß, dass nicht jede bildlich erfasste Anomalie auch ein gefährlicher Krebs werden muss. "Bei der Früherkennung des Bronchuskarzinoms zeigen über 50 Prozent der Untersuchten einen kleinen Rundherd in der Lunge, der aber nur selten Krebs ist", sagt Mostbeck und pocht auch hier auf harte wissenschaftliche Daten; erst nach erbrachtem Beweis der Senkung der Sterblichkeit durch Screening sollen neue Verfahren in die Vorsorgeuntersuchung aufgenommen werden.

Der Mensch in der Computertomografie betrachtet ist tatsächlich gläsern geworden. Nicht nur Blutgefäße und Knochen werden sichtbar gemacht, auch ein unregelmäßiger Herzschlag kann erfasst und bildlich dargestellt werden. (Karin Pollack/DER STANDARD, Printausgabe, 7. März 2007)