Foto: Süddeutsche Cinemathek
Kontrastreicher kann man einen Musical-Film nach dem lärmenden Titelvorspann nicht beginnen als mit der tödlichen Grabesstille eines Londoner Altherren-Clubs. Zwischen vollbesetzten Ohrensesseln und hochgehaltenen Zeitungen tastet sich Fred Astaire zu einem Platz, um auf seinen Produzenten zu warten. Er ist sichtlich um Lautlosigkeit bemüht, denn jedes winzige Geräusch wird mit vernichtenden Blicken aus allen Sesseln bestraft. Als der wunderbare Tolpatsch Edward Everett Horton endlich auftaucht und ihn aus der lähmenden Stille erlöst, rächt sich Astaire für die Folter der Bewegungslosigkeit mit einem motorischen Anfall: Er lässt auf dem Parkettboden ein paar rasende Step-Schritte so laut explodieren, dass in dem Club-Raum alle Ordnungen zusammenbrechen. Musik, die mit den Schuhsohlen aus dem Boden herausgehämmert wird - nie hat sie so vital und so befreiend geklungen wie in dieser perfekt rhythmisierten Schrecksekunde.

Schöner kann ein Regisseur, der aus der Stummfilmzeit kommt, die vergnüglichen Seiten des noch jungen Mediums Tonfilm nicht vorführen als Mark Sandrich 1935 in "Top Hat", seinem zweiten Musicalfilm mit dem Traumpaar Fred Astaire/Ginger Rogers. Es ist der dramaturgisch perfekteste unter den heiteren Tanzfilmen der Epoche. Mit wunderbarer Logik entwickelt sich der zentrale Liebeskonflikt aus der Physis seiner Darsteller. Fred Astaire, einmal in Bewegung gesetzt, stampft in Hortons Hotelsuite die aberwitzigen Rhythmusfolgen weiter, er trommelt sie durch den Boden hindurch direkt aufs Trommelfell von Ginger Rogers, die im Zimmer darunter ihren Schönheitsschlaf zelebriert. Das erotische Konfliktpotenzial, das in anderen Astaire-Rogers-Filme oft so verkünstelt wirkt, entwickelt sich hier auf geradezu kreatürliche Weise. Umso aufregender ist der Moment, wenn Ginger, im verregneten Park unter dem Pavillondach dem Tanzgeist Fred hilflos ausgeliefert, das Bocken plötzlich aufgibt und sich harmonisch hineinschwingt in seine werbenden Bewegungen. Mit Körperperfektion beantwortet sie, was er ihr an erotisierender Tanzartistik zumutet.

Auch die übrigen Zutaten verstärken das filmische Vergnügen. Irving Berlins Genie als Songschreiber hat wohl selten subtiler geleuchtet als in Astaires lustvoll geflötetem "Cheek to cheek". Und die von Lubitsch trainierten Komödianten Horton und Blore treiben als skurril verschrobenes Herr/Diener-Paar das Geschehen in den Himmel der großen erlauchten Komödien hinauf. Es gibt also nur einen Kommentar zu diesem Film; Fred hat ihn vorgesungen: "Heaven ... I'm in heaven ... and my heart beats so that I can hardly breath ..." (Gottfried Knapp / RONDO/DER STANDARD, Printausgabe, 09.03.2007)