Fischer betonte, er beobachte diese Diskussionen "mit Realismus": "Auch in früheren Koalitionsregierungen haben die General- und Zentralsekretäre der politischen Parteien nie unter übertriebener Harmoniesucht gelitten. Wenn zwei Parteien mit unterschiedlichen politischen Programmen und unterschiedlichen Interessenslagen eine Koalition bilden, dann haben sie sich dazu verpflichtet, gemeinsame politische Ziele zu verwirklichen. Aber das heißt nicht, dass sie daran arbeiten, so zu tun, als wären die beiden Parteien identisch und hätten in allen Fragen ein und die selbe Meinung."
Leistung der Regierung an Ergebnissen messen
Die Leistungen einer Koalition sollten an den Ergebnissen gemessen werden. Fischer: "Wer glaubt, dass eine Koalition dann eine gute Koalition ist, wenn alle Gegensätze der Parteien verwischt sind, der irrt meiner Meinung nach, und der hat das Wesen des pluralistischen Parteienstaates nicht voll begriffen. Koalition heißt nicht Verzicht auf die eigene Identität. Dass man die Meinungsverschiedenheiten eleganter und weniger elegant, sachlich oder weniger sachlich austragen kann, ist wieder eine andere Sache. Und ich behaupte nicht, dass alle Äußerungen, die seit der Angelobung der Regierung am 11. Jänner gefallen sind, der Weisheit letzter Schluss waren. Aber man soll die Qualität einer Koalition an den Ergebnissen ihrer Arbeit und nicht an der Intensität der Freundschaft zwischen den Parteisekretären messen."
Fairness und Konsens
Er, Fischer, halte Fairness und Konsens in der Politik für erstrebenswert. Er könne dies aber nicht "zur allgemeinen Maxime aller handelnden Personen" erklären und niemandem oktroyieren.
Als Bundespräsident verstehe er sich als "stabilisierender Faktor" in der Innenpolitik, betonte Fischer. Auch bei der Regierungsbildung sei dies das Leitmotiv gewesen. Im Lichte des Wahlergebnisses haben die Regierungsverhandlungen aus Sicht des Staatsoberhauptes "das bestmögliche Ergebnis gebracht". So ist Fischer auch mit der Budgeteinigung zufrieden: "Es ist eine eindrucksvolle Leistung, den Staatshaushalt für zwei Jahre in einer sehr sachorientierten Weise zu erstellen."
Budget: Defizit in vernünftiger Höhe
Dass Experten sich kritisch zum Doppelbudget 2007/2008 geäußert haben, überrascht Fischer nicht: "Experten haben es leichter, ihre sicher sehr gut untermauerten Klugheiten der Öffentlichkeit darzubieten. Aber Politik und auch Budgetpolitik ist die Kunst des Möglichen." Der Budgetentwurf ist laut Fischer herzeigbar: Das Defizit sei in einer vernünftigen Höhe festgelegt, es gebe einen Vorrang für beschäftigungspolitische Maßnahmen sowie Schwerpunkte in den Bereichen Bildung und Forschung.
Sein Resümee: "Dass Experten noch den einen oder anderen zusätzlichen Ratschlag oder Einwand haben, das kann gar nicht anders sein. Ein Budget, dem alle eine römische Eins geben, hat es in der zweiten Republik noch nie gegeben."
Frage nach Wiederkandidatur 2010 verfrüht
Die Frage, ob er bei der Präsidentenwahl 2010 wieder kandidieren wird, sei heute - vier Monate vor der Halbzeit der sechsjährigen Amtsperiode - verfrüht gestellt, meinte Bundespräsident Heinz Fischer im Interview mit der APA. In der zweiten Halbzeit hat Fischer jedenfalls noch einiges vor. So will er im Herbst zur UNO-Vollversammlung nach New York reisen, um intensiv für Österreichs Bewerbung um einen Sitz im UN-Sicherheitsrat in den Jahren 2009/2010 zu werben. Für kommendes Jahr kündigte er einen Afrika-Schwerpunkt an.
Afrika-Schwerpunkt im Jahr 2008
Fischer betonte, dass er alle seine außenpolitische Kontakte dazu nutze, um Österreichs Bemühungen für ein Engagement im Sicherheitsrat zu fördern. "Ich lasse keinen Besuch im Ausland vorübergehen, ohne diese Kandidatur mit Nachdruck zu unterstützen." Im Terminkalender des Präsidenten stehen u.a. eine Reise nach Südkorea Ende März und ein Besuch in Ägypten im Herbst. Im nächsten Jahr wolle er erstmals und verstärkt die Aufmerksamkeit auf Afrika richten. Intensiv vorbereitet werde derzeit auch der Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Mai in Österreich.