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Wenn ich diesen ziemlich wahnsinnigen Film in Scope und Technicolor, aus dem Jahr 1956, jetzt wiedersehe, kann ich nicht umhin, an Fassbinder zu denken und an seine Bewunderung für diesen Douglas Sirk und seine Filme. Wie Schuppen fällt es einem da von den Augen, was den jungen deutschen Regisseur, ein knappes halbes Jahrhundert nach dem "alten Meister" geboren, so an diesen Melodramen fasziniert hat. In jeder Einstellung springt es einen an ...

Erschütternd, immer noch, oder immer wieder, dass Sirk seinen genialen "Schüler" um 5 Jahre überlebt hat. Fassbinder kannte Douglas Sirk gut, hatte ihn in der Schweiz besucht, und war wohl mitverantwortlich dafür, daß der in Deutschland völlig in Vergessenheit geratene Regisseur in den siebziger Jahren einen Lehrauftrag an der Münchner Filmhochschule bekam.

Als Detlev Sierck wurde er 1900 (eine andere Quelle sagt 1897?) in Hamburg geboren, als Kind dänischer Eltern. Als Junge war er von Asta Nielsen begeistert und von ihrem melodramatischen Spiel. Nach einem Studium von Kunstgeschichte - später sagt er, Daumier und Delacroix seien verantwortlich für die hochstilisierte Bildsprache seiner Melodramen - und Philosophie arbeitet er zuerst als Journalist, bis es ihn zum Theater zieht. Ab 1934 arbeitet er für die UFA. Goebbels bewundert ihn (eine Hochachtung, der sich schon Fritz Lang fluchtartig entziehen musste) und 1937 muß auch Sierck fliehen, weil seine zweite Frau als Jüdin verfolgt wird.

Ab 1941 ist Detlev Sierck einer von vielen deutschen Emigranten in Hollywood und beginnt seinen Beruf von vorne, als Douglas Sirk. Bekannt wird er für seine Arbeit bei Universal. Für den Produzenten Ross Hunter macht er dort 9 Filme, viele mit Rock Hudson in der Hauptrolle. Am erfolgreichsten sind "Magnificent Obsession", 1954, und "Imitation of Life", 1959. Mit letzterem verabschiedet er sich auch aus Hollywood. Er stirbt am 14. Januar 1987. Wenn man so will, sind seine Geschichten später zu Fernsehware geworden. "Dallas" und andere Serien leben von nichts anderem als von Eifersucht, von Gier und von Korruption.

Aber nicht so sehr für seine Plots verdient Sirk unsere Bewunderung und Hochachtung, sondern für deren kunstvolle Stilisierung. Hier treffen die billigen Kriminalromane und Illustrierten der fünfziger Jahre mitsamt ihrer Pin-Up-Ästhetik auf einen Dante der Soap Operas, hier, bei Sirk, ist all dies bildgewaltig erfunden worden.Die amerikanische Gesellschaft in seinen Filmen geht an ihren eigenen Regeln zugrunde. Sie wird von einer gemeinen, repressiven Kraft getrieben. Die Helden von Sirks Geschichten sind deren Gefangene, die nicht mehr wissen, wie sie leben und wie sie sterben sollen. Geld, Macht, Ehrgeiz, Drogen ... der Amerikanische Traum wirkt hier nur zerstörerisch und führt zu Verwahrlosung der Sitten.

Erstaunlich, wie klar dieser deutsche Regisseur im Exil dies schon vor einem halben Jahrhundert vorhergefühlt und geradezu klinisch vorgeführt hat. (Wim Wenders / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.3.2007)