Elinor Mora: "Auf der Bühne bin ich alterslos. Es ist eine Rolle."
Foto: Mora & Fur
In Österreich wird man schneller alt als in den USA. Elinor Mora spielt in ihrer Band "Mora & Fur" gerne Tabuthemen aus. Kerstin Kellermann sprach mit der Performerin und Schauspielerin.

dieStandard.at: Alter ist immer ein heikles Thema. Alle wollen alt werden, aber niemand redet davon. Ab wann ist man alt?

Elinor Mora: Man wird sehr schnell alt in Österreich (lacht). Ab 39 Jahren ist man hier uralt. Mit 40 bekommt man keinen Job mehr. Wenn man vom Ausland kommt, fällt es einem auf, dass es hier so viele alte Leute gibt, die in Wirklichkeit nicht einmal so alt sind. Nur im Vergleich mit den EngländerInnen oder den AmerikanerInnen sehen die auch alt aus. Jetzt ist es ein bisschen besser, seitdem die plastische Chirurgie populärer geworden ist (lacht).

dieStandard.at: Würdest du einen Unterschied zwischen Frauen und Männern machen?

Mora: Auf jeden Fall. Männer haben es sicherlich leichter. Ein Mann sieht so schön, reif und fesch aus ab 50 mit den grauen Haaren an den Schläfen, die Frauen müssen zu Henna greifen. Die einzigen, die sich alt werden leisten können, sind Leute wie Catherine Deneuve. Bei Richard Gere ist das wunderbar.

dieStandard.at: Bertold Brecht hat in dem Buch "Die unwürdige Greisin" (1949) der alten Frau, die sich der Rollenzuweisung entzieht, revolutionäre Relevanz zugemessen... Kennst du solche Frauen, die erst spät den Bruch mit den Konventionen wagen?

Mora: Ich muss zugeben, dass ich meist sehr selbstständige Frauen kenne, die immer schon gemacht haben, was sie wollen. Mit Frauen in meinem Alter, die sich jetzt erst befreien, die immer zu Hause waren, habe ich nicht so viel Kontakt. Die machen mich aggressiv (lacht). Ich denke mir, du Idiotin, was hast du mit deinem Leben gemacht! Viele merken auch nicht, wenn sie eine Form des Sklavinnendasein gegen ein anderes tauschen.

dieStandard.at: Gab es bei deiner Band "Mora & Fur" ein klares Konzept bezüglich dem Thema "Alter"? Ihr macht ja auch Persiflagen auf Liebeslieder.

Mora: Das Performancekonzept hat sich so ergeben. Wir machen nicht nur Altersdifferenzen. In einem Lied bin ich 13 und der Josh 25. Wir wechseln die Rollen. Wir spielen, dass wir ein Pärchen sind, und wir hassen und lieben uns gegenseitig. Dann gibt es ein Lied, in dem ich eine Domina bin und Josh mein Sklave. Das habe ich sehr gern. Wir streiten sehr gerne auf der Bühne. Er versucht mich klein zu machen und ich ihn. Das dürften die Leute sehr gerne haben, denn es erinnert sie an den Alltag. Da spielt das Alter weniger eine Rolle, es geht mehr um die Aggression zwischen uns. In manchen Liedern sind wir als Team politisch. Es geht viel um Emotionen, um die unerfüllte Liebe, um den Alltag, wie unsere Gesellschaft uns behandelt – auch als AusländerInnen. Es geht auch um Homosexualität – wir haben alle diese Tabuthemen sehr gerne.

dieStandard.at: Im Jazz gibt es eine Tradition von Jazzsängerinnen, die noch lange auftreten und denen Emotionen zugestanden werden. Ist es Frauen im Pop oder Rock nicht erlaubt, älter zu werden?

Mora: Ich komme aus der Jazzrichtung. Ich bin in New York mit dieser Musik aufgewachsen. Ella Fitzgerald trat lange auf. Aber Nina Hagen ist sicherlich nicht die Jüngste und Madonna wird auch bald 50. Warten wir es ab. Im Jazz geht es hauptsächlich um die Musik. Mir gefällt Billie Holiday am besten, aber sie ist leider nicht sehr alt geworden. Aber ich kann mir vorstellen, wenn sie 80 wäre und sie hätte noch performt, wäre sie super präsent. Es gibt viele Frauen, die sehr präsent sind. Im US-Showbusiness Barbara Streisand, Meryl Streep, Jane Fonda, Helen Mirren. Bei den Politikerinnen Hilary Clinton und Nancy Pelosi, die "speaker of the house" bei den Demokraten. Das ist die dritthöchste Position nach dem Präsidenten und dem Vize. Wenn den beiden etwas passiert, würde sie Präsidentin werden. Sie ist 67 Jahre alt und sieht absolut toll aus. In Österreich gefällt mir Friederike Mayröcker am besten, aber auch Dolores Schmiedinger oder Marie Therese Escribano.

dieStandard.at: Patti Smith ist Jahrgang 1946...

Mora: Patti Smith ist eine Ikone. Sie ist wirklich jung. In den USA ist das ganz einfach nicht alt. Denn die meisten Frauen arbeiten bis 65 oder 67, die Männer auch, also ist man voll aktiv.

dieStandard.at: Also, ist es schon spezifisch österreichisch, dass sich Frauen im Alter nach Hause zurückziehen und nicht in der Öffentlichkeit sind?

Mora: In New York ist es auf jeden Fall anders, aber New York ist nicht typisch für die USA. Aber ich finde, dass die älteren Frauen dort nicht ganz so alt sind wie die Frauen hier, obwohl es hier schon viel besser geworden ist. Als ich in den 70er Jahren wegen meinem Mann nach Österreich gekommen bin, war es schrecklich. Alles über 50 Jahre war in einen Regenmantel verpackt, mit kleinem Hut und Feder. In grau, grün oder höchstens beige. Das war es. Männchen oder Weibchen, es war alles alt.

dieStandard.at: Wie hälst du das auf der Bühne mit deinem Alter?

Mora: Auf der Bühne bin ich alterslos. Ich bin neutral. Nicht im emotionalen Sinne, sondern ich denke nicht daran. Es ist eine Rolle. Wir spielen auch Anziehung und Erotik, das ist ein Teil vom Leben. Wir wollen die vielen Facetten des Lebens und des Alltags zeigen. Im Grunde machen wir auf der Bühne nur Alltag und Emotionen. Das Verlangen nach Sex oder das Grausen davor, Mobbing... Ich mache aber auch Lyrik-Lesungen mit Jazzmusik, z.B. mit Lyrik von Selma Meerbaum-Eisinger. Spiele Theater mit der Gruppe "Ampe Geusau" und bin als Performerin unterwegs. Man soll sich auch nicht selber alt machen. Wenn man auf die Bühne geht - entweder mögen es die Leute oder wenn nicht, dann sollen sie gehen.