Wifo-Experte Marterbauer: "Zwei Drittel der Österreicher haben überhaupt noch nie etwas geerbt und haben auch kein Erbe in Aussicht."

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Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs und dem Umfaller der SPÖ wird immer noch diskutiert, was die Konsequenzen der Aufhebung der Erbschaftssteuer sind.

Steuerexperte Karl Bruckner erklärte im derStandard.at-Interview, dass von einer Abschaffung vor allem die Wohlhabenden profitieren werden. Das glauben auch über 300 ÖkonomInnen, die nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs eine Initiative gegen die Abschaffung der Erbschaftssteuer gründeten.

Bei einer Pressekonferenz präsentierten Wifo-Experte Markus Marterbauer und Universitätsprofessor Herbert Walther (WU) heute die Ziele der Initiative der Öffentlichkeit. Die ÖkonomInnen wollen ein klares Zeichen für eine effiziente und gerechte Steuerpolitik setzen und die Erbschaftssteuer erhalten.

Senkung der Steuern auf Arbeit

Für Universitätsprofessor Herbert Walther steht die Vererbung von Vermögen im Widerspruch zur leistungsorientierten Markwirtschaft, die der Ökonom als das produktivste Wirtschaftssystem bezeichnet. Denn geerbtes Vermögen wird, anders als das erarbeitete Vermögen, nicht durch eigene Leistung erwirtschaftet. "Eine stärkere Besteuerung von Erbschaften schafft im Budget Spielraum für eine Senkung der Steuern auf Arbeit." Das würde wiederum die Anreize für Erwerbsarbeit und Leistung stärken, so Walther. Walther appelliert deshalb, die bestehende Erbschaftssteuer "nicht wegzuradieren", die Erbschaftssteuer solle als Signal der Chancengleichheit betrachtet werden.

Soziale Ungerechtigkeit

Die sozialen Zusammenhänge betonte auch Wirtschaftsexperte Markus Marterbauer. Er erklärt, dass es einen Zusammenhang zwischen Einkommen und Erben gibt. Menschen mit durchschnittlich höherem Einkommen erben öfter als Menschen mit niedrigerem Einkommen: "Zwei Drittel der Österreicher haben überhaupt noch nie etwas geerbt und haben auch kein Erbe in Aussicht." Erbschaften sind also ungleich verteilt. Marterbauers Vorschlag: "Eine Besteuerung von Erbschaften, deren Erträge für Verbesserungen im Ausbildungssystem verwendet werden, stellt eine besonders geglückte Kombination zur Verbesserung der Chancengleichheit dar." Walther betont, dass die Erbschafssteuer natürlich "maßvoll und nicht enteignend" eingehoben werden soll.

Vermögenssteuer anheben

Das ganze Steuersystem müsse laut Walther reformiert werden: "Es wäre ideal, in den Zustand, der Anfang der 90er geherrscht hat, zurückzukehren." Anfang der 90er betrug das durchschnittliche Steueraufkommen 31 Prozent. Seit Beginn der 90er Jahre ist es auf 38 Prozent angestiegen. Ein gegenteiliger Trend ist bei der Vermögenssteuer zu sehen: Anfang der 90er Jahre lag die Vermögenssteuer bei rund 2 Prozent des Steueraufkommens, heute bei 1,1 Prozent. Dieses Ungleichgewicht müsse ausgeglichen werden.

Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es dringend erforderlich, den Faktor Arbeit zu entlasten. Das würde die Beschäftigungschancen der nicht ausreichend Qualifizierten verbessern und vor allem die kleinen und mittleren Einkommen stärken, die besonders konsumfreudig sind.

Steuerreformkommission

Konkrete Modelle oder Vorschläge für ein künftiges österreichisches Steuersystem wollten Marterbauer und Walther bei der heutigen Pressekonferenz jedoch nicht nennen. "Wir rufen dazu auf, eine Reformkommission einzusetzen." Die über 300 an der Initiative beteiligten ÖkonomInnen würden der Kommission selbstverständlich mit Rat und Tat zur Seite stehen, so Marterbauer. (rwh/derStandard.at, 22.3.2007)