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GUSENBAUER: Ich hoffe für dich, es ist wichtig.

SCHREIBER: Heller sechzig, Herr Bundeskanzler. News wünscht Würdigung.

GUSENBAUER: Das ist allerdings wichtig! Genie der Macht, Heller! Ich wäre nie Kanzler geworden, wenn er nicht über Jahre hinweg Vertrauen in mich investiert hätte. Was hast du bis jetzt?

SCHREIBER (liest vor): Wie kein anderer versteht es André Heller, der menschlichen Fantasie eine reale Gestalt zu geben.

GUSENBAUER: Gut. Anfügen: Zu verzaubern und zu entrücken.

SCHREIBER (notiert es, liest weiter vor): In seinen Gesamtkunstwerken entsteht eine Welt, die -

GUSENBAUER: Eine bunte, chaotische und sinnliche Welt.

SCHREIBER (notiert es): - entsteht eine bunte, chaotische und sinnliche Welt, die ein wenig an die Bilder von Hieronymus Bosch erinnert -

GUSENBAUER: Spinnst du?

SCHREIBER: Moment. An die Bilder von Hieronymus Bosch erinnert, wenngleich seine Entwürfe ohne dessen apokalyptische Schreckensmomente auskommen.

GUSENBAUER: Ach so. Gut. Weiter.

SCHREIBER: Aber Heller ist weder ein Popartist, noch -

GUSENBAUER: Kein Popartist der grellen Farben! Sehr wichtig! Keine grellen Farben!

SCHREIBER: Keine grellen Farben?

GUSENBAUER: Keine grellen Farben.

SCHREIBER (notiert es kopfschüttelnd, liest weiter vor): - noch strebt er eine Disneyfizierung der Welt an.

GUSENBAUER: Durch einfache Unterhaltung. Eine Disneyfizierung durch einfache Haltung. Also nicht. Beides nicht. Du weißt schon, was ich meine.

SCHREIBER (notiert es, liest weiter vor): Stattdessen greift er auf das kulturelle Gedächtnis aller Epochen zurück und gestaltet etwas Neues daraus.

GUSENBAUER: Ganz recht.

SCHREIBER: Hellers Monumente der Träume regen immer zum Denken und zu Auseinandersetzungen an.

GUSENBAUER: Neben dem Staunen! Staunen unverzichtbar! Neben dem Staunen immer auch zum Denken und so weiter. Weiter.

SCHREIBER: Das wäre eigentlich alles.

GUSENBAUER: Alles? Nein nein. Viel zu kurz! Viel zu unwürdig! Schreib! (Diktiert:) In all den Jahren, nein, in all den vergangenen Jahren, seitdem ich ihn kenne, hat sich mein Eindruck verstärkt, dass er sich sehr bewusst in die Traditionen der Allroundkünstler der Renaissance stellt. All die Großen von damals waren auch Festkünstler, die Inszenierungen als wichtigen Teil ihres künstlerischen Berufs verstanden, weil -

SCHREIBER: Sind Sie sicher, dass Sie da nicht etwas durcheinander bringen?

GUSENBAUER: Ja! Aber du bringst mich draus, wenn du dauernd dazwischenredest! Als Teil ihres künstlerischen Berufs verstanden, weil Fluchtpunkte für die Menschen

notwendig sind!

SCHREIBER (zu sich, grimmig): Wie Fluchtlinien für die Malerei.

GUSENBAUER: Was?

SCHREIBER: Nichts. Für die Menschen notwendig sind.

GUSENBAUER: Einen Schlusssatz brauchen wir noch.

SCHREIBER: Hoch Heller?

GUSENBAUER: Zu schwach. Wart, ich hab's schon. (Diktiert, pathetisch): Ich gehöre zu denen, die Heller immer wieder zum Staunen bringt.

SCHREIBER: Bringt oder bringen?

GUSENBAUER: Bringt.

(Vorhang)

(Antonio Fian/ DER STANDARD, Printausgabe, 24./25.03.2007)