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SPÖ-Gesundheitssprecherin Oberhauser: "Wegen eines eingewachsenen Zehennagels muss man sich nicht ins Krankenhaus legen."

Foto: AP/Meyer
Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky tritt für eine 24-Stunden-Ärzte-Bereitschaft ein. Wie in Holland üblich, sollen sich absofort auch in Österreich Haus- und Fachärzte zu Gruppenpraxen zusammenschließen. Zumindest einer dieser Ärzte muss immer persönlich erreichbar sein. Kdolsky erwartet sich dadurch eine Entlastung der Spitalsambulanzen, die zu häufig bei Routineuntersuchungen aufgesucht werden.

Um das Modell österreichweit umzusetzen, braucht es erst eine entsprechende gesetzliche Regelung und vor allem mehr Kassenverträge, fordert Jörg Pruckner, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer, im Ö1-Mittagsjournal. Bis zu 1.000 zusätzliche Ärzte seien notwenig, um dieses Modell zu realisieren, so Pruckner.

"Misch-Masch" aus bestehenden Modellen

Sabine Oberhauser, Gesundheitssprecherin der SPÖ und Vorsitzende der ARGE ÄrztInnen im ÖGB, kann Kdolskys Idee, die niedergelassenen Ärzte zu stärken, etwas abgewinnen. Im Gespräch mit derStandard.at bestätigt sie, dass die Ambulanzen entlastet werden müssen. Oberhauser legt aber Wert darauf, dass "kein Arzt 24 Stunden durchgehend erreichbar sein kann".

Sie schlägt vor, bestehende Synergien zu nutzen und denkt über einen "Misch-Masch" aus bestehenden Modellen nach. Dort, wo es zu Engpässen kommt, sollen die Gemeinschaftspraxen gestärkt werden: "Es gibt da schon interessante Modelle, wo sich ÄrztInnen verschiedener Fachrichtungen zusammentun".

"Gemeinschaftspraxen sind nicht das Allheilmittel"

Doch sei es nicht möglich, den Ansturm auf die Ambulanzen von heute auf morgen alleine durch die Etablierung von Gruppenpraxen zu bewältigen, denn auch "Gemeinschaftspraxen sind nicht das Allheilmittel". Schnellschüsse, die zu einer vorzeitigen Schließung von Spitalsambulanzen führten, seien nicht im Sinn der Patienten. Die lückenlose Versorgung müsse garantiert werden.

Um den niedergelassenen Bereich zu stärken seien eine Reihe von Umstrukturierungen nötig. Man müsse andere Schwerpunkte in der Ausbildung setzen.

Vorschlag "sehr unbeacht und voreilig geäußert"

Der Wiener Ärztekammerpräsident Walter Dorner hat den Vorstoß von Andrea Kdolsky "sehr unbeacht und voreilig geäußert" kritisiert. Dorner erklärte in einer Aussendung, dass eine 24-Stunden-Bereitschaft von niedergelassenen Ärzten wirtschaftlich nicht zu realisieren sei.

"Konstruktive Vorschläge zu einer effizienten Sparpolitik im Gesundheitswesen nehmen wir gerne an, allerdings nur dann, wenn die Ideen nicht wieder auf Kosten der Ärzteschaft passieren", sagte Dorner. "Nachtdienste für Kassenärzte lehnen wir grundsätzlich ab". Mit dem Ärztefunkdienst oder der Nachtversorgung in der Kinderheilkunde seien bereits bessere Systeme aktiv. Auf jeden Fall müsse gewährleistet werden, dass eine Mitarbeit von Ärztinnen oder Ärzten bei Projekten dieser Art auf freiwilliger Grundlage basiere.

Ärzte GmbH

Laut Jörg Pruckner könnte das Ärzte-Gemeinschafts-Modell in der Praxis folgendermaßen aussehen: Mehrere Ärzte, also sowohl praktische als auch Fachärzte, schließen sich zu einer Firma, einer GmbH, zusammen und wechseln sich im 24-Stunden-Schichtbetrieb ab. So könnte man dann eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung auch im ländlichen Raum gewährleisten.

Bewusstseinsbildung bei Patienten

Oberhauser betont, dass aber auch bei den Patienten ein Umdenkprozess stattfinden muss: "Man sollte sich überlegen, mit welchen Verletzungen man ins Spital geht. Wegen eines eingewachsenen Zehennagels muss man sich nicht ins Krankenhaus legen." (APA/rwh, derStandard.at, 26.3.2007)