Dunkelblaue Bergseen, in denen sich die umliegenden Gipfel spiegeln, gehörten lange zum Inbegriff unberührter Natur. Auch in der Wissenschaft galten Hochgebirgsseen lange Zeit als so abgelegen, dass ein möglicher Einfluss des Menschen auf sie kaum untersucht wurde. Seit den 1980ern weiß man jedoch, dass sie nicht nur auf Luftschadstoffe empfindlich reagieren können, sondern auch auf den Klimawandel.

In den letzten 25 Jahren ist die Durchschnittstemperatur in den Alpen um 1 °C gestiegen, was massive Effekte hat: Der augenfälligste ist eine Verkürzung der Eis- und Schneedecke. Je früher das Wasser offen ist, desto mehr Sonne und damit UV-Strahlung kann darin eindringen - wobei die UV-Durchlässigkeit des Wassers auch davon abhängt, welche Schwebstoffe es enthält.

Diese Schwebstoffe sind gelöstes organisches Material, die zahlreichen Bakterien in den Seen als Nahrung dienen. In Alpenseen stammt dieses organische Material gewöhnlich von Algen und nur zu einem sehr geringen Teil aus dem spärlich bewachsenen Uferboden. Mit zunehmender Erwärmung jedoch ist zu erwarten, dass sich im Uferbereich vermehrt eine dichtere Vegetationsdecke entwickelt, deren organisches Material aus dem Boden in den See ausgewaschen werden kann.

María Teresa Pérez und Ruben Sommaruga vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck gehören zu den ersten Forschern, die sich in den vergangenen Jahren mit dieser Thematik befasst haben. Im Rahmen eines FWF-Projektes gingen sie am Tiroler Gossenköllesee auf 2400 m der Frage nach, wie sich die Klimaerwärmung auf das Bakterioplankton von alpinen Seen im Detail auswirken könnte.

Die beiden hängten 50-Liter-Tanks mit Seewasser in den See, wodurch die darin lebenden Bakterien unter natürlichen Licht- und Temperaturverhältnissen agierten. Dann fügten sie den Tanks leicht abbaubares organisches Material aus Algen bzw. schwieriger abzubauendes aus dem Bodenabfluss des Ufers zu. Wie sich herausstellte, bestimmt die Herkunft des organischen Materials tatsächlich die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft: Vor allem die Gruppe der Betaproteobacteria, die schon unter normalen Umständen 50 bis 60 Prozent des Bakterioplanktons ausmacht, stiegen bei der Zugabe von organischem Material aus Algen auf einen Anteil von mehr als 80 Prozent an. Gleichzeitig ging die Häufigkeit einer anderen Gruppe, der Actinobacteria, deutlich zurück. Wie es aussieht, nehmen beide Gruppen dasselbe an, doch sind die Betaproteobacteria durch raschere Zuwachsraten imstande, die Actinobacteria zu verdrängen.

Welche Folgen solche Veränderungen auf längere Sicht haben können, ist noch ungeklärt. Jedenfalls macht der Klimawandel offensichtlich auch vor isolierten Biotopen wie Gebirgsseen nicht Halt. (strn/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28. 3. 2007)