Sabine Bitter und Helmut Weber: "Uns interessiert sehr, wie das Bild gemacht wird."

"Bucharest / Paris # 1 (Ceausescu-Boulevard/ Abraxas, Arch. Ricardo Bofill)

Foto: Bitter/Weber
Postmoderne Architektur ist bei Frederick Jameson eine logische Folge des Spätkapitalismus. Wenn das so klar ist, fragen Sabine Bitter und Helmut Weber in "Recent Geographies", warum sieht die Architektur dann im Osten, etwa jene, die während des Ceausescu-Regime entstand oder jene im postsozialistischen Novi Beograd, ebenso postmodern aus?

Visuell formuliert präsentiert sich ihre Frage in Montagen von sehr erhaben wirkenden Architekturfotografien, die urbane westliche Strukturen aus Vancouver oder Paris mit jenen in Belgrad oder Bukarest eindrucksvoll verschmelzen lassen. Erkennbar wird der an den steinernen Kanten zusammengefügte Hybrid durch die Kombination von S/W- und Farbfotografie.

Sabine Bitter und Helmut Weber beschäftigen sich seit 1993 mit den Auswirkungen globaler politischer Phänomene auf Stadträume und Architektur. Die Architekturen - häufig höchst prominente Bauten - sind dabei allerdings nur die Indizien dieser Wandlungen. Dazu gehörten etwas der Großsiedlungskomplex "23 de Enero" in Caracas, das Bijlmermeer in Amsterdam, das heute - anstatt dem Konzept der modernen Idealstadt zu entsprechen - ein soziales Getto geworden ist. Man dürfe nicht den Fehler machen, die architektonischen und urbanen Aspekte in den Vordergrund ihrer Arbeit zu stellen, so Weber. "Uns interessiert sehr, wie das Bild gemacht wird". Das soziologische Objekt der Untersuchung sind die Bilder als Stellvertreter kultureller, ideologischer Repräsentationssysteme.

Super Citizens (2003-2006) zeigt zum Beispiel auf ihre Umrisse reduzierte und daher idealistisch ebenso wie utopisch anmutende Stadtlandschaften, die an Archigram oder Superstudio denken lassen und von Pro-Chávez-Demonstranten in Caracas bevölkert sind. Ein Sinnbild einer konkreten räumlichen wie übergeordneten sozialen Bewegung - Zeichen eines kollektiven Umbruchs, das bei der Präsentation in konservativen Kreisen Venezuela nur auf den ersten Blick Gefallen fand. Neben der Serie Boulevards, Banlieues zeigt die Galerie nahsichtigere Aufnahmen des "neuen Paris": den Palacio de Abraxas von Ricardo Bofill (1983), ein Musterbeispiel postmoderner Architektur. Die Postmoderne, so Jameson, ist der Versuch, sich mit der eigenen Gegenwart zu identifizieren und gleichzeitig um das Scheitern dieses Versuchs zu wissen. (kafe/ DER STANDARD, Printausgabe, 29.03.2007)