Wien - Bereits im vergangenen Jahr hat der in Wien ansässige Orpheus Trust, eine Privatinitiative, die sich mit vom Nazi-Regime vertriebenen Musikschaffenden beschäftigt, den Betrieb offiziell eingestellt. Nun präsentierten die ehemalige Leiterin Primavera Gruber und Vorstandsmitglied Heinz Lunzer die Nachfolgeprojekte: Mit "orpheus.news im mica" will man sich ab 2008 auf die Information rund um das Thema "NS-verfolgte Musik" beschränken, das umfassende Orpheus-Archiv wurde bereits vom Archiv der Akademie der Künste Berlin übernommen und wird derzeit inventarisiert.

Das "mangelnde Interesse der öffentlichen Hand, insbesondere des Bundes, an einer Weiterarbeit des Orpheus Trust hat uns dazu veranlasst, den Verein aufzulösen", resümierte Heinz Lunzer, Leiter der Dokumentationsstelle des Literaturhauses Wien, die Geschehnisse des vergangenen Jahres. "Wir haben eingesehen, dass uns die drei zentralen Aufgabengebiete des Orpheus Trust - Dokumentieren und Informieren, Veranstalten und Sammeln - zu viel sind und wir uns reorganisieren müssen." Man habe sich daraufhin an 30 Institutionen gewandt, um eine ideale Stelle zur Aufbewahrung, Aufarbeitung und wissenschaftlichen Aufbereitung des Archivs zu finden.

Inventarisierung hat begonnen

Den Zuschlag bekam die Akademie der Künste Berlin, die bereits begonnen hat, das Archiv, das Material von und über 5.550 NS-verfolgte Personen beinhaltet, zu inventarisieren. Die Akademie verwaltet bereits 110 Nachlässe und verfolgt zudem einen Emigrationsschwerpunkt. "Ziel ist es, durch regelmäßige Ausstellungen und Publikationen zur Wiederherstellung einer Öffentlichkeit für diesen Bereich der Musikgeschichte beizutragen", so Werner Grünzweig, Leiter der Musikarchive der Akademie.

Die Nachfolge-Aktivitäten in Wien "beschränken" sich nunmehr vor allem auf die Informationsweitergabe, die durch eine Kooperation mit dem "music information center austria" (mica) erreicht werden soll. Die Informationsplattform im Internet nennt sich "orpheus.news im mica", geplant ist eine Art "Clearingstelle" für Information und Koordination aller an "NS-verfolgter Musik" interessierten Personen und Aktivitäten. Online gehen soll das Projekt im Jahr 2008, bis dahin steht die Website des Orpheus Trust weiterhin im Netz. In zirka vier Jahren soll zudem ein von Gruber und Grünzweig herausgegebenes mehrbändiges "Österreichisches Biografisches Handbuch der vom Nationalsozialismus verfolgten Musikschaffenden" erscheinen, ein "grundlegendes Standardwerk für Forschung, Lehre und Praxis", wie Gruber betont. Das Buch soll die Informationstätigkeit des Orpheus Trust ersetzen.

Unterstützung angekündigt

mica-Direktor Peter Rantasa, der sich freut, "mit unseren Informationsservices zu dieser wichtigen Arbeit beitragen zu können", gab bekannt, dass die Stadt Wien eine entsprechende Unterstützung für das Projekt in Aussicht gestellt hat. Außerdem arbeitet Primavera Gruber bereits an einer europäischen Plattform für ähnlich Dokumentationsstellen. Mit all diesen Maßnahmen erhoffen sich alle Beteiligten einen "Aufbruch für die Thematik". (APA)