Wie jüngste Forschungen des Fischereibiologen Ransom Myers und Kollegen von der kanadischen Dalhousie Universität zeigen, wurden die Populationen der großen Haiarten nahezu ausgerottet: An der Ostküste Nordamerikas ist seit 1972 die Zahl der Hammerhaie um 99 Prozent zurückgegangen. Aber auch die Bestände der anderen zehn untersuchten Haiarten schrumpften auf rund ein Zehntel. Zugleich mit der Dezimierung der Hai-Population erlebte aber auch die Muschelfischerei in North Carolina einen völligen Einbruch. Was früher einmal ein Millionengeschäft war, liegt heute im Sterben und hat, wie Myers und Co. nun im Fachmagazin "Science" (Bd.315, S.1846) zeigen konnten, indirekt mit der schonungslosen Überfischung der großen Haiarten zu tun hat.
Die Profiteure des großen Hai-Sterbens waren ihre natürlichen Feinde: in erster Linie Rochen, aber auch andere kleinere Haiarten. Vor allem die Zahl der Rochen explodierte schlichtweg: Sie hat sich in den vergangenen 35 Jahren verzehnfacht, beträgt nun etwa 40 Millionen Tiere und wächst weiter um jährlich acht Prozent. Das zentrale Forschungsergebnis bringt Myers auf eine einfache Formel: "Weniger Haie fressen weniger Rochen, wodurch sich deren Zahl stark erhöht hat. Mehr Rochen fressen mehr Muscheln, wodurch diese ausgerottet wurden." Die Forscher konnten also den Beweis antreten, dass sich die Überfischung von Haien als Kaskade durch die ozeanischen Ökosysteme fortpflanzt und Schäden an ganz anderen Fischereizweigen verursacht.
Etwas Analoges könnte übrigens im Mittelmeer drohen, wie der WWF warnt: Die starke Befischung der Blauflossen-Thunfische führte zu einer starken Vermehrung der Tintenfische, die wiederum mehr Sardinen fressen, was die Sardinenfischerei nachhaltig schädigt.