Buchcover

Spannend wie ein Roman liest sich Eleanor Hermans Streifzug durch die Geschichte der europäischen HerrscherInnenhäuser. Vom Mittelalter bis zu Diana, Prinzessin von Wales, schildert sie - sehr detailliert und farbenreich, manchmal eine Spur zu belletristisch - die Schicksale untreuer Königinnen. Da gibt es jene, die selbst regierten - und manchmal ihr Leben lang unverheiratet blieben - und die Gemahlinnen von regierenden Königen. Erstere hatten, was die Wahl eines Liebhabers betraf, eindeutig die besseren Karten: Niemand bezichtigte sie so schnell der Untreue und niemand drohte ihnen deshalb mit der Guillotine. Zarin Elisabeth, Tochter von Peter dem Großen, zum Beispiel hatte vier Liebhaber gleichzeitig, Königin Victoria verliebte sich als Witwe in ihren Leibdiener und am Hofe von Katharina der Großen, die ihre Liebhaber zeitweise monatlich wechselte, konnte man sich für die "Stelle" des Liebhabers der Zarin sogar bewerben.

 

Liebhaber aus Langeweile

Weitaus schwieriger hatten es da die angeheirateten Königinnen: Die meisten von ihnen wurden aus politischen Gründen schon als Mädchen mit Männern verheiratet, die sie nie zuvor zu Gesicht bekommen hatten. Diese waren, teils durch Inzucht in den Herrscherhäusern, häufig unansehnlich, schwachsinnig, impotent oder alt und herrisch, in den schlimmsten Fällen auch alles auf einmal. Manche Herrscher waren auch homosexuell und zeigten deshalb kein Interesse an ihrer Angetrauten. Wenig verwunderlich, dass die jungen, einsamen Gemahlinnen sich da in ihren Palastmauern nach Liebe sehnten und auf die Idee kamen, ihre Sehnsüchte anderweitig zu stillen. Was für ihre Männer jedoch selbstverständlich war, war ihnen strengstens untersagt. Wer heimlich einen Liebhaber einließ, brauchte deshalb eine Verbündete bei Hof und das war in den meisten Fällen eine Hofdame. Wurde die Untreue aber aufgedeckt, dann ging es oft nicht nur der Königin, sondern auch ihrer Vertrauten an den Kragen.

Verrat im Spiel

Aber selbst jene Herrschersfrauen, die ihre Männer liebten und/oder sich der Treue verschrieben, waren ihres Lebens nicht immer sicher – wenn nämlich Verrat im Spiel war, um die lästig gewordene Königin anklagen und beseitigen zu können. So geschehen etwa mit der berühmten Anne Boleyn, einer der vielen Frauen und vormals Mätresse von Henry VIII. von England: Weil ihr Mann eine andere wollte, wurde sie wegen Ehebruchs im Tower von London hingerichtet, hatte sich diesbezüglich aber nie etwas zuschulden kommen lassen. Sie mag „hinterhältig und rachsüchtig“ gewesen sein, war aber immer eine treue Ehefrau gewesen. "Doch selbst wenn sie schuldig gewesen wäre: Es war nie nur der Sex, der einer Königin zum Verhängnis wurde", schreibt Herman. "Es ging immer auch um Politik."

Tod oder Triumph

Nicht immer ereilte untreue Königinnen deshalb ein blutiges Ende: Wenn eine Königin sich einen Geliebten nahm, "war alles möglich – Entehrung und Tod ebenso wie der politische Triumph. Nutzte die Verbindung dem Staat, wurde sie nicht nur toleriert, sondern gefördert." In manchen Fällen einigten sich die Eheleute auch auf Scheidung, weil sie sich entweder nur bekriegten oder einsahen, dass sie durch ihre vorbestimmte Heirat so gut wie nichts miteinander verband. Gab es Kinder, die ganz offensichtlich nicht vom Monarchen stammten, dann ließen diese trotzdem „nichts unversucht, um bei einer Scheidung das Wort 'Ehebruch' zu vermeiden, da es nicht nur Zweifel an der Ehelichkeit ihrer Kinder, sondern auch an ihrer Potenz erlaubte."

Trotz der Unterschiedlichkeit ihrer Schicksale hätten alle ehebrecherischen Königinnen eines gemeinsam, schreibt Herman: "Eine unglückliche Ehe und ein als leer empfundenes Leben." Ob eine Königin sich eine verbotene Liebe erlaubte oder nicht - "die meisten waren ungeachtet der Pracht und des Luxus zutiefst unglücklich." (isa)