er sagte immer "morgen", "tag", "abend" oder "mahlzeit".
das "gute" oder "guten" ließ er vorsorglich weg. denn er
war sich nie sicher, ob er jemandem, ob freund oder feind,
einen guten morgen, tag oder abend wünschen sollte oder
wollte. einen "schlechten" zu sagen wäre in unserer hinterfotzigen
gesellschaft unmöglich, weil eben ganz ungewohnt,
unüblich oder ungehörig. jemanden eine gute oder
gar gesegnete mahlzeit zu wünschen (warum nur eine?),
gliche nicht nur halb einem politischen bekenntnis, sondern
wäre angesichts des übergewichts der mehrheit des
bekanntenkreises eine glatte unhöflichkeit,wenn nicht gemeinheit.
bei weihnachten und neujahr ließ er allerdings
das "frohe" und "gute" nie weg, denn froh hielt er in diesem
zusammenhang für einen aufgelegten schwachsinn
und gut kommt ja für ein ganzes jahr ohnehin nicht in frage,
so dass man solche wünsche, bei aller häme, nur als
minimalste höflichkeitsform gelten lassen konnte.
außerdem:
wieso weihnachten froh und ostern fröhlich sein sollten,
ist eine sache der festtage selbst und geht die leute
nichts an. bei geburtstagen tat er sich leicht, das "viele jahre"
nahm an glaubwürdigkeit mit dem alter von selbst ab,
so dass sich der bewünschte jeweils seinen teil denken
konnte. überhaupt hat wünschen eine fraktale wenn nicht
hybride ambivalenz in heterogonalen kontaktdefekten, vor
denen man sich möglichst drücken sollte. (Friedrich Achleitner/ DER STANDARD, Printausgabe, 7./8./9.4.2007)