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"Das Unrecht geht im Land um wie ein Tiger auf Beutejagd. Hampelmännern auf Gnade und Ungnade ausgeliefert zu sein ist die schlimmste Beleidigung. Festzustellen, dass die Instrumente der staatlichen Macht einen zu Müll machen, ist die Kränkung." (Aus: Flammen der Hölle, 1997); Im Bild: Porträt von Ken Saro-Wiwa in Edinburgh, 1997.

Foto: REUTERS/Jeff j Mitchell

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Ken Saro-Wiwa, mit seinem "Markenzeichen", der Pfeife, auf einem Bild im Büro der MOSOP.

Saro-Wiwa war Träger des Bruno-Kreisky Preises für die Verdienste um Menschenrechte, des alternativen Nobelpreises 1994 und wurde 1995 für den Friedensnobelpreis nominiert.

Foto: AP/Sunday Alamba

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10. November 1997: Aktivisten protestieren in Erinnerung an Ken Saro-Wiwa vor dem Büro der Shell Petroleum Development Corporation in Bombay.

Foto: REUTERS/Savita Kirloskar

Im April 1994 wurden vier Autoritäten der Ogoni im südlichen Niger Delta ermordet. Der damalige Diktator Sani Abacha ergriff mit dem Vorfall die Chance, einen ihm lästigen Mann loszuwerden: den Schriftsteller Ken Saro-Wiwa. Ein Porträt

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Ken Saro Wiwa, geboren 1941 in Nigeria, genoss als Sohn einer verhältnismäßig wohlhabenden Familie eine gute Ausbildung. An der Universität Ibadan studierte er Englische Literatur und setzte erste Schritte in Richtung Schreiben: er gab eine Studentenzeitschrift heraus und wirkte bei verschiedenen Theatergruppen mit. Während des Bürgerkriegs um die Sezession von Biafra wurde er Zivilverwalter in der von nigerianischen Truppen eroberten Hafenstadt Bonny und besetzte danach verschiedene Ministerposten im Bundesstaat River State. Seine Erfahrungen im Bürgerkrieg schrieb er in seinem Romas "Sozaboy" (1985) sowie in seiner autobiografischen Erzählung "On a Darkling Plain" (1989) nieder.

Seine Schriftstellerkarriere hatte er 1967 mit der Veröffentlichung einer Sammlung von Essays "The Ogoni Nationalist Today and Tomorrow" (1968) begonnen, es folgten Theaterstücke sowie die Veröffentlichung seiner ersten Romane. Zehn Jahre später gründete er einen eigenen Verlag. Seine schriftstellerischen Tätigkeiten - von Lyrik über Kurzgeschichten bis zu Drehbüchern für Fernsehserien - und seine journalistischen Arbeiten kamen durch seine politischen Aktivitäten Anfang der 1990er Jahre zwar nicht zum Erliegen, aber dennoch ins Stocken.

"Widerstandsbewegung für das Überleben der Ogoni"

Der ausgebildete Anwalt recherchierte und veröffentlichte bereits 1980er Jahren Fakten über die Situation in den ölreichen Gebieten Nigerias und setzte sich zunehmend für die Rechte der dort lebenden Menschen ein. Durch Pannen bei der Förderung und das Austreten von Öl werden Flüsse, Felder und Brunnen verseucht, die Menschen werden dadurch ihrer Lebensgrundlage - Landwirtschaft und Fischfang - beraubt. Besonders davon betroffen ist die rund 500.000 Menschen zählende Ethnie der Ogoni, auf deren Gebiet viele dieser Förderanlagen liegen.

Ken Saro-Wiwa, ebenfalls ein Ogoni, gründete daher 1990 die "Widerstandsbewegung für das Überleben der Ogoni" (MOSOP) und verfasste im selben Jahr die "Ogni Bill of Rights". Von der nigerianischen Regierung vorerst noch ignoriert, konzentrierten sich die Petitionen und Aktivitäten der Bewegung auf Shell und andere Ölkonzerne. Sie forderten 10 Milliarden US$ Kompensation für Förderungslizenzen und für die Zerstörung der Umwelt. weitere Forderungen waren Unfallvermeidungsmaßnahmen sowie mehr Mitspracherecht.

Nachdem die Petitionen auch bei den Ölkonzernen auf taube Ohren stieß, begann Saro-Wiwa mit der Organisierung von Massenprotesten. Nahezu die gesamte Ölförderung im Ogoni-Gebiet kam temporär zum Stillstand. Auch gelang es ihm, mit MOSOP internationale Aufmerksamkeit für die ökologische und menschliche Katastrophe zu wecken. Mit seinen anhaltenden Aktionen und Kritik an den Verhältnissen in den Ölförderungsgebieten im Niger Delta traf er auch die Archilles-Ferse der Eliten des Militärregimes. Dieses setzte zum Gegenschlag an: Soldaten besetzten das Gebiet, die Aktivisten wurden zunehmend Repressionen, Einschüchterungen und Brutalitäten ausgesetzt.

"Die Flammen der Hölle"

In seinen Gefängnistagebüchern "Die Flammen der Hölle", die er während seiner ersten Inhaftierung im Sommer 1993 schrieb, schilderte Saro-Wiwa die Willkür, Korruption und die unwürdigen Verhältnisse, die er einen Monat und einen Tag lang in Haft erdulden musste. Seine Arbeiten an diesem Buch beendete er ebenfalls in einer Zelle, als er ein Jahr später neuerlich inhaftiert wurde.

Damals, im Mai 1994, wurde er festgenommen, als im Zuge von Tumulten bei einer Demonstration vier Ogoni-Führer wegen angeblicher Kollaboration mit den Militärregime getötet worden waren. Gemeinsam mit 15 anderen Aktivisten wurde Saro-Wiwa der Anstiftung zum Mord angeklagt, obwohl er durch eine Straßensperre an der Teilnahme der Demonstration gehindert worden war. Über ein Jahr lang wartete er im Gefängnis auf seinen Prozess, der von einem eigens dafür eingerichteten Gericht geführt wurde. Eine Berufung war nicht zulässig. Das "Gerichtsverfahren" wurde international als Farce verurteilt, als "Schauprozess", dessen Aufgabe darin bestand, den erwarteten Schuldspruch zu liefern. Dieser folgte am 8. November.

Die Hoffnung, dass die internationale Gemeinschaft das Urteil verhindern können, erfüllte sich nicht. Die Militärführung ließ Filmaufnahmen veröffentlichen, die die Ordnungsmäßigkeit des Prozesses beweisen sollte, die Politik der "stillen Diplomatie" und der Geduld, wie von Nelson Mandela propagiert, ließ das Militärregime kalt. Wie sich später herausstellte, basierte das Urteil auf Aussagen von bestochenen Zeugen.

Ken Saro-Wiwa und acht weitere MOSOP-Mitstreiter wurden am Morgen des 10. November 1995 vom Militär in Port Harcourt gehängt. (Christa Hager / derStandard.at, 20.4.2007)