Brioni Donna

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Bei Brioni Donna setzt Christina Ortiz die klassischen Bestandteile des Tailoring zweckentfremdet ein

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Christina Ortiz

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Brioni steht für den Chic der Polofelder...

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...wie für jenen der Berühmten: C. Gable, G. Schröder, P. Brosnan

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Zwar mag Brioni im Vergleich zu den konzernfinanzierten Luxusmarken à la Gucci, Prada oder Louis Vuitton keine große Nummer darstellen, doch das Renommee des teuren Schneiderbetriebes hält mit dem Ruf der Erstgenannten locker mit; wenn er sie nicht sogar in puncto Exklusivität und wahren Luxus überflügelt - jedenfalls in Kreisen der Connaisseure, denn bei Brioni entsteht das Gros der Teile in Handarbeit. Ein erster Versuch des Traditionsbetriebes, diese unübertroffene Qualität in Form einer eigenständigen Damenkollektion zu vermarkten, geschah ab 2001, als Fabio Piras, heute Kreativdirektor bei Malò, einige etwas halbherzige Kollektionen vorlegen durfte, die jedoch weder bei der Kritik noch im Verkauf punkten konnten: Von den geschätzten 1,5 Milliarden Euro jährlichen Umsatzes generierte "Brioni Donna" zuletzt gerade einmal magere acht Prozent.

Last Woman Standing: Seit Oktober 2005 ist Cristina Ortiz, geboren in den Siebzigerjahren auf den Kanarischen Inseln, für die Damenlinie des Hauses Brioni verantwortlich. Last Woman Standing: Nicht, weil die Berufung von Cristina Ortiz der letzte oder gar verzweifelte Versuch eines Giganten darstellt, seine unangefochtene Position als Herrenausstatter der Luxusklasse nun auch den Frauen zugute kommen zu lassen; nein, es gibt ja schlicht nur wenige Frauen im weltweiten Modegeschäft, die sich an der Spitze dieses eigentlich zutiefst weiblichen Metiers behaupten können.

Männer mögen Frauen

Laut einer im vergangenen Jahr vom Amerikanischen Modeinstitut abgeschlossenen Studie beginnen zwar gut zwei Drittel mehr Frauen als Männer ein Studium des Modedesigns - in Spitzenpositionen finden sich aber danach zunehmend weitaus mehr Männer als Frauen wieder. Und die meisten dieser Männer sind nicht heterosexuell orientiert. Die amerikanische Studie zählt traditionelle Aufgaben der Frauen wie Mutter werden, Familie gründen zu den Ursachen, weshalb es die Frauen in der Fashionszene nicht so weit bringen wie die ewig ungebunden verbleibenden Männer. Aber es klingen auch stilistische Hintergründe an: Schwule Männer, so heißt es dort, kultivieren ein Idealbild der Frau an sich, dass sie befähigen soll, nachgerade phantastische Kreationen, die mit der schnöden Wirklichkeit wohltuend wenig zu tun haben, zu entwerfen.

Frauen wiederum, so ergab diese Forschung, scheinen sich nur sehr schlecht von einem gewissen Selbsthass lösen zu können, der aus mehr oder weniger bewusst gespürter Rivalität zu den Geschlechtsgenossinnen entsteht. Kurz und gut, so lautet jedenfalls das Ergebnis der Studie: Männer mögen Frauen einfach (selbst wenn sie persönlich eher auf Männer stehen), und Frauen mögen Männer (andere Frauen sind da bloß im Weg).

Cristina Ortiz kann da nur herbe auflachen - und wie diese Frau lachen kann! Die explosionsgeborene Heimatlandschaft der Kanarischen Inseln, die ja aus vulkanischen Eruptionen hervorgegangen waren, mag hierbei gewisse Charakterzüge gefördert haben - bei Frau Ortiz aber wirken noch andere Komponenten mit: Sie ist Mutter zweier Kinder; sie hat zuvor sowohl unter überkandidelten Männern (Lanvin) wie überintellektualisierten Frauen (Miuccia Prada) gearbeitet und vor allem: Sie ist daran nicht irre oder zynisch geworden. Cristina Ortiz weiß nach wie vor, worum es in ihrem Beruf eigentlich geht:

Eleganz und Sinnlichkeit

"Die Frau, um die es allen geht, ist die Frau um zwanzig. Dann hat sie noch Flair, sie ist jung und straff. Mit 35 aber fängt die Frau an, sich für andere Dinge zu interessieren. Sie kennt sich nun aus, ist selbstbewusst und braucht eine Mode, die ihre Persönlichkeit unterstreicht, herausarbeitet - und das eine oder andere kaschiert."

Cristina Ortiz trägt ein geöffnetes Smokinghemd, ihre rötlichen Haare - Mähne sagt man wohl dazu - flattern durch den Raum, während sie Grimassen zieht, den Kopf hin- und herwirft und dabei heftig gestikulierend ihre Rede in stark spanisch akzentuiertem Französisch einem frühen Höhepunkt entgegentreibt: "Mit 35 ist eine Frau eigentlich schon zu alt für die Mode! Mit 40, 50 erst wird es lächerlich! Die Frau braucht dann Eleganz. Sinnlichkeit. Es wird egal, ob etwas in ist - oder total out."

Ihre Eltern waren, gemessen am kanarischen Bevölkerungsdurchschnitt, Exoten: Mutter Innenarchitektin, Vater Möbeldesigner. Sie kann sich nicht erinnern, dass ihre Mutter je etwas anderes als Hosen getragen hätte - über 90 Prozent der Kanarier sind Katholiken; Cristina erinnert sich an das Straßenbild in Las Palmas, und sie sieht dort nur solche Frauen, "die in Ballonröcken aus Moiré-Seide mit Fächer und Kopftuch spazieren gehen".

Früh schwärmt sie dagegen für Katharine Hepburn und Marlene Dietrich, trägt selbst stets nur Hosen und weiße Männerhemden, als Berufswunsch schwebt ihr Meeresbiologin vor. Ein Freund der Familie überredet den begabt zeichnenden Teenager, nach Paris zu gehen: "Unter die Oberfläche kannst du später dann immer noch."

Königin von Jordanien als Idol

Was Cristina Ortiz seit dem Frühjahr 2006 für Brioni Donna zeigt, ist nicht weniger als sensationell. Der Begriff einer "tragbaren Mode" ist leider zu einer Herabwürdigung verkommen - was Frau Ortiz entwirft, ist schlicht begehrenswert. Eine Mode, die aus Frauen eben Göttinnen macht - ein Upgrade, das bei anderen Marken zynischerweise an Altersbeschränkungen gekoppelt wird.

"Ich entwerfe für die Frau - nicht für die Ehefrau", stellt Cristina Ortiz fest. Eines ihrer Idole ist "Rania Al-Yasin, die Königin von Jordanien. Das ist eine Brioni-Frau: elegant, weiblich, an Mode interessiert und weltläufig. Sie ist zwar verheiratet, aber sie bleibt nicht nur Ehefrau des Königs, sondern hat sich ihren eigenen Einflussbereich geschaffen."

Es gehört zu den angenehmen Gepflogenheiten des Hauses Brioni insgesamt, dass man sich dort nicht im Geringsten um Popularität schert - die Königin von Jordanien! Ja, sicher, klar, warum auch nicht.

Brioni Donna ist logischerweise nicht günstiger zu haben als die maßgefertigte Männerlinie. Aber der Ursprung, nämlich dass die Ehefrauen der Brioni-Kunden sich irgendwann wünschten, ein dem Dreiteiler ihres Mannes angemessenes Kostüm bestellen zu dürfen, hat mittlerweile eine eigenständige Kollektion hervorgebracht, bei der Cristina Ortiz die klassischen Bestandteile des Tailorings nicht eben ironisierend, aber dennoch zweckentfremdend einsetzt: Die Crochetnähte erscheinen als Schmuck; die Filzeinlagen der Revers von Herrenjackets laufen als Bordüren über die Oberteile. Ganz im Stile ihres frühen Herrenreitertums aus ihrer kanarischen Pubertät - très sexy! Und, wie es die Biologen von der Fauna der Kanarischen Inseln behaupten: autochthon. (Joachim Bessing/Der Standard/rondo/13/04/2007)