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"Oh! It's very simple. You start hot in the middle and cool down by the sides."

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Selbstverständlich sind sie berühmt, und jeder hat gehört, dass sie ganz toll seien, die englischen Gärten. Aber keiner, der nicht irgendwann einmal mitten in einem solchen stand, kann auch nur im Entferntesten erahnen, welch überwältigende Gefühle einen vom Gartenvirus Befallenen daselbst heimsuchen. Nachdem die eine Hand den heruntergeklappten Unterkiefer wieder in Position gebracht und die andere Halt an der Borke des nächststehenden kostbaren Stammes gefunden hat, ergreift eine Mischung aus Staunen, Ohnmacht, Bewunderung und - ja, es muss bekannt werden dürfen - zartgrünem Neid das Gärtnergemüt.

Wer Demut lernen will, muss nach England reisen und zumindest ein halbes Dutzend der vielen tausend Prachtgärten dieses klimatisch gesegneten Eilands durchwandeln. In England ist so gut wie jeder, der ein paar Quadratmeter Erdboden sein Eigen nennt, eine gartentechnische Spitzenkraft, Gärtnern ist das nationale Hobby Nummer eins, jedes Vorgärtchen ein Kleinparadies. Und all das hat jahrhundertealte Tradition. "Gott der Allmächtige pflanzte zuerst einen Garten", schrieb der Philosoph Francis Bacon bereits im Jahr 1625, "und dies zu tun, ist in der Tat das reinste Vergnügen des Menschen."

"Oh! It's very simple."

Auch Nicht-Briten wissen darum, weshalb der britische Gartentourismus seinerseits zu einem wichtigen Wirtschaftszweig reifte: Etwa 17 Millionen Besucher jährlich verfügen sich mittlerweile nach Großbritannien, um Blütendüfte zu inhalieren, Buchsschnitte zu studieren und mit stiller Andacht vor Staudenbeeten innezuhalten, deren geheimnisvolle Kompositionen von der Dame des Hauses dann unter Umständen folgendermaßen entschlüsselt werden: "Oh! It's very simple. You start hot in the middle and cool down by the sides." Das bedeutet, feurige Rottöne in abgestuften Höhen werden von orange, lila, bläulich und immer heller werdenden Blütenorgien beflankt. Ja, eh. Das kann ja gerade noch nachvollzogen werden - zumindest in der Theorie.

Als aber angesichts der Lieblichkeit eines ausgedehnten Sees, an dessen formvollendeten Ufern schneeweiße Schafe wie Baumwollflöckchen lagern, die Touristengruppe in stummes Starren verfällt und die Lady des keineswegs schlichten dazugehörigen Schlosses seufzend in die Stille wirft, die paar hundert Arbeiter hätten damals, zu ihres Urgroßvaters Zeiten, den See doch etwas zu seicht gegraben, was nun in regelmäßige Verschlammungen münde, wissen wir, warum wir Zaungäste trotz alledem ein Volk von Schrebergärtnern bleiben werden. Mangels Manchesterkapitalismus nämlich.

Die Befreiung des Gartens

Aber diese Behauptung ist auch wieder eine halb wahre Ungerechtigkeit, denn, wie gesagt, auch die britischen Schrebergärtner verfügen über außergewöhnliche Qualitäten, die der Unbeholfenheit des durchschnittlichen mitteleuropäischen Thujenschnipslers Hohn sprechen. Auf den Gartenschauen der Royal Horticultural Society tummelt sich beileibe nicht nur die Aristokratie, von hier aus verbreiten sich mehrmals pro Jahr die neuesten Züchtungen jedweden Gewächses bis in alle Krumen des Landes. Und die Befreiung des Gartens von herrschaftlich-strenger Barockzwänglerei hin zum offenen, fließenden Landschaftsgarten fand auch immerhin in England statt.

Den letzten Beweis für die Solidarität unter Gärtnern erbrachte der Sicherheitsmann am Flughafen. Er klaubte ein besonders reizendes kleines Gartenscherchen - als Souvenir auf einer Gartenschau erstanden - aus dem Handgepäck, hielt es anerkennend hoch, pries seine Güte, versicherte dessen zerknirschte Besitzerin seines Mitgefühls, notierte die kontinentale Adresse und schickte das gute Teil postwendend nach. Als einen Akt der Entwicklungshilfe, versteht sich. (Ute Woltron/Der Standard/rondo/13/04/2007)