Nachhilfelehrer Gusenbauer: "Deutsch und Mathematik. Wie viele Stunden, das weiß ich nicht."

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Roter Gusenbauer auf schwarzem Lederstuhl von Le Corbusier: "Ich war immer kritisch."

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Einen Ausstieg aus dem Eurofighter-Vertrag will Bundeskanzler Alfred Gusenbauer im STANDARD- Interview mit Gerfried Sperl und Alexandra Föderl-Schmid "nicht ausschließen"; Alle Möglichkeiten seien nach wie vor offen. "Wobei die Hauptzielsetzung die ist – und darum ist es immer gegangen –, dass die Luftraumüberwachung für Österreich billiger wird und dass Steuerzahlergeld gespart wird."
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STANDARD: Wer ist für Sie im Moment die härtere Nuss: Vizekanzler Wilhelm Molterer oder Staatsoperndirektor Ioan Holender?

Gusenbauer: Ich habe mit beiden kein Problem. Mit Molterer habe ich eine gute Zusammenarbeit, und mit dem Staatsoperndirektor teile ich meine Leidenschaft für die Oper.

STANDARD: Apropos harte Nuss. Ihr Parteifreund Franz Voves, der steirische Landeshauptmann, tritt gegenüber Wien und gegenüber dem Bundeskanzler auf wie weiland Krainer Vater und Krainer Sohn. Was halten Sie davon?

Gusenbauer: Ich glaube nicht, dass es etwas bringt, habe es aber auch nicht so empfunden.

STANDARD: Wie viele Nachhilfestunden haben Sie geschafft?

Gusenbauer: Wie viele Stunden es waren, weiß ich nicht. Jedenfalls Deutsch und Mathematik.

STANDARD: Die ersten hundert Tage: Was hat Sie am meisten enttäuscht?

Gusenbauer: Was wir vereinbart haben, haben wir versucht, rasch abzuarbeiten. Fragen des Wirtschaftswachstums und der Beschäftigung, Forschungsfragen, die Bildungspolitik, die Investitionen in die Infrastruktur. Das hat mittelfristige Auswirkungen für die Wirtschaft. Diese Maßnahmen muss man natürlich am Anfang setzen, damit sie dann gegen Ende der Legislaturperiode auch ihre Wirkung entfalten. Insofern haben wir zügig gearbeitet.

STANDARD: Dauerbrenner Pflege: Der Sozialminister hat angedeutet, dass die Amnestie verlängert werden könnte. Wie ist Ihre Position?

Gusenbauer: Solange keine neue Lösung da ist, muss der derzeitige Zustand, der jetzt ist, verlängert werden. Bevor wieder ein rechtsfreier Zustand eintritt, ist es besser, den pragmatischen Weg zu gehen, den Minister Buchinger gefordert hat. Und die Länder haben bereits angedeutet, dass sie früher mit den Finanzausgleichverhandlungen beginnen möchten.

STANDARD: Sie haben am Wochenende eine „Verlotterung“ der Sitten konstatiert. Was tun Sie dagegen? Das könnte ja die SPÖ auch betreffen?

Gusenbauer: Erstens: Es ist keine Gesellschaft davor gefeit, dass es zu dieser Verlotterung der Sitten kommen kann. Und in der österreichischen Nachkriegsgeschichte ist es immer wieder zu solchen Erscheinungen gekommen. Dass kein politisches Lager davor gefeit ist, ist historisch auch bewiesen. Und es gibt ein Zuverdienst-Verbot für Regierungsmitglieder. Wenn jemand wie Grasser zum Beispiel eine doch sehr ordentliche Spende erhält, die er nicht einmal versteuern muss, ist das gesamte System betroffen. Das Unrechtsbewusstsein schwindet.

STANDARD: Angesichts der Entwicklung beim Eurofighter-Untersuchungsausschuss: Müssten Sie jetzt nicht auch dafür sein, dass die Einrichtung von Untersuchungsausschüssen erleichtert wird?

Gusenbauer: Die SPÖ tritt ja dafür ein, dass es Untersuchungsausschüsse im Parlament als Minderheitenrecht gibt. Das heißt, dass nicht so – wie bisher – ein Mehrheitsbeschluss des Parlaments erforderlich ist.

STANDARD: Einer der beiden Ausschüsse beschäftigt sich mit dem Eurofighter. Eines ist ja bereits erreicht: Es wird billiger. Aber nicht durch die Reduktion der Anzahl der Jets.

Gusenbauer: Wir können heute nicht sagen, was realistisch ist. Ich würde sagen, dass alle Möglichkeiten nach wie vor offen sind.

STANDARD: Bis zum Ausstieg?

Gusenbauer: Das wird sich noch zeigen. Auszuschließen ist er nicht. Wobei die Hauptzielsetzung die ist – und darum ist es immer gegangen –, dass die Luftraumüberwachung für Österreich billiger wird und dass Steuerzahlergeld gespart wird.

STANDARD: Da klingt durch, dass Sie sich mit einer Verbilligung zufrieden geben. Auch bei gleicher Stückzahl.

Gusenbauer: Ich deute damit gar nichts an.

STANDARD: Aber wären Sie mit dieser Variante zufrieden?

Gusenbauer: Das kann ich heute auch noch nicht sagen, weil ich nicht weiß, welche Grundlage uns der Untersuchungsausschuss bietet. Aber das Wichtigste ist, dass am Schluss eine Lösung steht, wo jeder gesparte Euro ein gewonnener Euro ist.

STANDARD: Lösung noch vor der Sommerpause?

Gusenbauer: Davon gehe ich aus. Wenn der Untersuchungsausschuss rechtzeitig fertig wird, ja.

STANDARD: Sie haben immer wieder betont, dass Sie dagegen sind, dass es eine europäische Armee gibt. Es hat in den letzten Tagen Meldungen gegeben, dass Druck auf Österreich geben könnte, sich an einer EU-Eingreiftruppe zu beteiligen.

Gusenbauer: Es ist keinerlei Druck spürbar. Wir beteiligen uns nicht bei kämpfenden Truppen.

STANDARD: Mit der EU gibt es das Problem des Hochschulzuganges. Sehen Sie Bewegung hier in der Sache?

Gusenbauer: Mein Eindruck war, dass ich dem Kommissionspräsidenten bei unserem Treffen in Wien in dieser Frage sensibilisiert habe. Vor allem auch, was die Zukunft der Gesundheitsversorgung in Österreich betrifft. Das war eine Argumentation, die ihm in diesem Ausmaß noch nicht bekannt war. Ich habe jetzt beim Besuch in Brüssel den Eindruck gehabt, dass er ein bisschen verärgert war über seine eigenen Beamten. Zum 29. Mai soll es nun eine Lösung geben.

STANDARD: Welche Lösung würden Sie bevorzugen?

Gusenbauer: Mir ist immer das System plausibel vorgekommen, dass, wenn jemand in seinem Heimatland die Studienberechtigung erlangt hat, auch in Österreich das Recht hat, zu studieren. Da das von der EU-Kommission aufgehoben wurde und dadurch die gesamte Frage der „Numerus clausus-Flüchtlinge“ entstanden ist, ist die Situation nicht EU-konformer geworden. Die frühere Regelung erscheint mir deshalb viel EU-konformer als die jetzige.

STANDARD: Auf die Studentenproteste haben Sie abschätzig reagiert. Bestimmt auch bei Ihnen das Sein bereits das Bewusstsein?

Gusenbauer: Ich war auch immer kritisch, habe aber als Veranstalter von Demonstrationen darauf geachtet, dass alles friedlich und im Rahmen bleibt. Die offensive Störung einer Veranstaltung der SPÖ im Museumsquartier ging darüber hinaus. Und auch Privatwohnungen von politisch Verantwortlichen sollten ein Tabu bleiben. (DER STANDARD, Printausgabe 20.4.2007)