Spitz an der Donau als passende Kulisse für den "Majestic Imperator".

Foto: Majestic Imp.
Wien, Bahnhof Heiligenstadt. Ein betriebsamer Umsteigebahnhof, moderne U- und S-Bahnen sowie Regionalzüge machen Station und fahren rasch weiter, die Fahrgäste gehen eilig ihrer Wege. Doch auf Gleis 5 steht ein Zug, der sich von allen anderen unterscheidet und sein eigenes Zeitmaß mitbringt. Vor ihm liegt ein roter Teppich, und die Reisenden werden persönlich begrüßt. Haben sie erst einmal den Zug, den "Imperial Wine & Dinner Train", bestiegen, beginnt eine Reise direkt in die Vergangenheit. Und außerdem in die Wachau.

Das Vorbild dieses Zuges ist der erste einheitlich gestaltete Hofzug von Kaiser Franz Joseph I. und Kaiserin Elisabeth, im Juni 1891 von der Waggonfabrik Franz Ringhoffer in Smíchov bei Prag fertiggestellt und ganz vom Prunk des Makart-Stils geprägt: Die Portieren und Vorhänge waren aus Samt, die Wandbespannungen aus Seide, Türen und Fensterrahmen trugen ornamentreiche Schnitzereien, die Tische kunstvolle Intarsien.

Der "Imperial Wine & Dinner Train" gehört einem risikofreudigen Mann: Gottfried O. Rieck. Er hat aus Überzeugung den Beruf des Lokführers erlernt, und nachdem er 1988 in die Direktion der Österreichischen Bundesbahnen gewechselt war, lud er 1990 Kollegen und Freunde zu einer aufwändigen Nostalgiefahrt nach Budapest ein, für die er eine legendäre Dampflokomotive und Salonwagen aus ganz Europa gemietet hatte. Die Reise war für die Teilnehmer so beeindruckend, dass sie auf eine Wiederholung drängten.

1991 gründete er zusammen mit seiner Frau Sibylle eine Firma, um historische Bahnreisen durchzuführen, doch es war schwierig, zu bestimmten Terminen alte Salonwagen anzumieten. Rieck beschloss, einen eigenen bauen zu lassen. Er begann mit seinen Nachforschungen und fand auf einem Bahnhof einen Waggon, der in derselben Werkstätte hergestellt worden war wie der Hofzug des Kaisers von 1891. Rieck recherchierte Unterlagen und Originalobjekte des Hofzuges und fand heraus, dass es in der traditionsreichen tschechischen Eisenbahnwerkstatt in Ceské Velenice noch einige Facharbeiter gab, die in ihrer Jugend ähnlich prächtige Waggons gebaut hatten. In nur einem halben Jahr war der erste Waggon fertig, am 2. November 1992 trat er seine Jungfernfahrt nach Wien an. Bis 1998 kamen fünf Waggons dazu, die sich an den historischen Vorbildern orientieren, ohne sie genau nachzuahmen, und das prächtige Dekor mit neuester Technik verbinden: Der Zug enthält außer Einzelabteilen verschiedene Bars und Speisewagen, eine Küche, HiFi- und Videoanlagen sowie eine Tanzfläche.

Als "Majestic Imperator Train" ist dieser Zug für Gruppen- Charterreisen bereits seit Jahren in Mitteleuropa unterwegs. Sechzig Prozent der Fahrgäste kommen aus Japan. Und da das Geschäft gut läuft, bietet Rieck nun zunehmend Fahrten für Individualreisende an. Das aktuellste dieser Vorhaben ist die Tour in die Wachau, die zwischen 26. April und 11. Oktober 2007 jeden Donnerstag um 16.45 Uhr in Wien-Heiligenstadt beginnen soll. Wer will, kann in Krems, Weißenkirchen oder Spitz aussteigen und die Orte inklusive der Heurigen erkunden.

Besonders das Programm in Dürnstein kann dazu führen, dass die Teilnehmer sich vollkommen in eine andere Zeit versetzt fühlen. Und genau das will Gottfried Rieck: ein romantisches Gegenbild zum oftmals allzu sachlichen und banalen Alltag bieten. Er weiß selbst bestens, dass die Zeitreise, zu der er die Fahrgäste einlädt, im wahrsten Sinne des Wortes fantastisch ist: Sie lässt das Flair der verschwundenen Gesellschaft des Fin de Siècle erahnen, die so leichtlebig, schwelgend und genießerisch, wie sie dem heutigen Betrachter erscheint, nie war. Und wenn dieser damals als gewöhnlicher Sterblicher gelebt hätte, wäre er nie in den Genuss gekommen, mit diesem Zug zu fahren. (Christina Brede/Der Standard/ Printausgabe/21./22.4.2007)