Wien – 2006 kamen erstmals seit acht Jahren im Wiener Straßenverkehr weniger Menschen zu_Schaden: Es ereigneten sich insgesamt "nur" 5328 Unfälle mit Verletzten. Im Jahr davor waren es noch um 370 Unfälle mehr gewesen – ein Rückgang um 6,5 Prozent. Todesopfer gab es 2006 insgesamt 33 im Straßenverkehr; ein historischer Tiefstand. 2005 gab es 34 Todesopfer.Missachte Anhaltepflicht

Wobei die Wiener Unfallstatistik, die Verkehrsstadtrat Rudi Schicker (SP) am Mittwoch präsentierte, auch zeigt: Die mit Abstand meistgefährdete Gruppe im Stadtverkehr sind die Fußgänger. 19 der 33 Todesopfer waren zu Fuß unterwegs. "Oft überqueren Fußgänger die Straße, ohne zu schauen", erläuterte Schicker. Aber auf der anderen Seite würden auch Autofahrer allzu oft die Anhaltepflicht vor dem Zebrastreifen missachten. Zum Vergleich: Sechs Menschen starben hinterm Lenkrad, dann folgen die Motorrad- und Radfahrer mit je drei Todesopfern, je ein Todesopfer war mit dem Moped beziehungsweise mit dem Leichtmotorrad unterwegs.

Weniger Radunfälle

Erfreulich ist, dass es bei den Unfällen auf dem Schulweg einen leichten Abwärtstrend gab. Auch bei den 2005 stark angestiegenen Radunfällen gab es wieder einen leichten Rückgang. In absoluten Zahlen sind Männer mit 68 Prozent Unfallbeteiligung im Straßenverkehr deutlich gefährdeter als Frauen (32_%). Allerdings: Frauen legen im Stadtverkehr kürzere Wege zurück und sind öfter zu_Fuß unterwegs, erläutert Bernd Skoric, Verkehrs_experte im Rathaus. Sehe man sich daher die tatsächlich erbrachte "Verkehrsleistung" an, so hätten Männer als Fußgänger ein höheres Risiko zu verunglücken – während Frauen auf dem Fahrrad ein um 30 Prozent höheres Unfallsrisiko haben.

Das Auto scheint hingegen in dieser Hinsicht (also was das Unfallrisiko betrifft) geschlechtsneutral zu sein. Wobei Gernot Brandesky, Vizepräsident der Ärztlichen Kraftfahrvereinigung, am Mittwoch betonte, dass 85 Prozent aller Unfälle im Straßenverkehr laut einer deutschen Studie auf Aggressionen zurückzuführen seien. Auch das Rasen sei Teil dieses aggressiven Verhaltens, das von einem Institut für Verkehrsmedizin erforscht werden müsste.

Licht-Analysen

Ob und welche Auswirkungen das derzeit verpflichtete Autofahren mit Licht am_Tag auf die Unfallbilanz hatte, wird derzeit noch von Experten ausgewertet. Erst wenn diese Analysen auf dem Tisch liegen, will Verkehrsminister Werner Faymann (SP) entscheiden, ob die Lichtpflicht bleibt, ob sie fällt – oder nur während der Wintermonate gelten soll. Für eine komplette Abschaffung der derzeitigen Licht-am-Tag-Regelung sprachen sich hingegen auch am Mittwoch der Verkehrsclub Österreich (VCÖ), der ARBÖ und die FPÖ aus. Die frühere Vorschrift, das Licht bei schlechten Sichtverhältnissen einzuschalten, sei ausreichend, argumentiert der VCÖ.

Mehr Tempo-30-Zonen

Auch Schicker gab sich in der Licht-Frage am Mittwoch abwartend; ihm sei aber wichtig, "dass alle Verkehrsteilnehmer gesehen werden". Die Vision des Wiener Verkehrsstadtrates ist es, dass die Zahl der Verkehrstoten in Wien bis 2020 bis gegen null gesenkt und die Zahl der Verletzten halbiert wird. Um dies zu erreichen, sollen die Tempo-30-Zonen in Wohngebieten weiter ausgebaut, Unfallschwerpunkte entschärft und Fußgängerübergänge besser gekennzeichnet werden.

Gegenseitige Rücksichtnahme sei "das A und O" im Straßenverkehr. Allerdings: "Wo keine Vernunft herrscht, da wird man leider auch mit Strafen reagieren müssen." Geschwindigkeitsüberschreitungen seien "kein Kavaliers_delikt". Und: Es gebe nur wenige Städte, wo so schnell gefahren werde wie in Wien. Kombiniert man dies mit den Aussagen der Ärzteschaft, könnte man daraus schließen, dass es kaum eine andere Stadt mit derart aggressiven Verkehrsteilnehmern gibt. (frei, DER STANDARD Printausgabe 26.4.2007))