"A Fost sau n-a fost?"

Foto: Festival
Linz - Mit einer ganzen Reihe kinematografischer Grenzüberschreitungen wird das Linzer Filmfestival Crossing Europe auch in seiner vierten Ausgabe seinem programmatischen Namen gerecht. Der traditionelle Ostschwerpunkt ist heuer, u.a. mit einem Rumänien-Special, auf das "Panorama" fokussiert. Grenzüberschreitungen ergeben sich aber auch durch vielfache Querbezüge zwischen den einzelnen Programmschienen.

So ist der Rumänien-Schwerpunkt nicht allein auf das "Panorama" beschränkt, wo etwa der in Cannes als bestes Debüt prämierte und bereits regulär im Kino angelaufene Spielfilm "A Fost sau n-a fost?" gezeigt wird, der mit feinem Humor den Heldenmythos der Revolution von 1989 auf die Schaufel nimmt. Im Local Artists-Programm präsentiert der gebürtige Alkovener Gerald Igor Hauzenberger seine Transsylvanien-Doku "Einst süße Heimat". In ausgesucht schönen Bildkompositionen stellt der Streifen mit einem alten Sachsen und einer alten Landlerin zwei so schillernde wie zwiespältige Repräsentanten einer niedergehenden Kultur vor.

Auch die bei der vergangenen Jüdischen Filmwoche in Wien uraufgeführte Doku "La Mémoire des Enfants" von Hannes Gellner und Thomas Draschan wurde am Donnerstag im Lokalprogramm gezeigt. Basierend auf Archivmaterial, das Gellner vom bekannten Nazijäger-Paar Serge und Beate Klarsfeld Gellner anvertraut wurde, arbeitet der erschütternde Streifen die Deportationen jüdischer Kinder in Frankreich auf. Sowohl auf der Opfer- als auch der Täterseite gibt es eine Reihe von Bezügen zu Österreich - bzw. über den SS-Schergen Alois Brunner, den wichtigsten Mitarbeiter des in Linz aufgewachsenen Adolf Eichmann, auch zur oberösterreichischen Landeshauptstadt.

Dass auch heute noch an den Rändern Europas brutale diktatorische Zustände herrschen, macht der mutige polnische "Panorama"-Beitrag "Lekcja bialoruskiego" (A Lesson of Belorussian) bewusst. Miroslaw Dembinski dokumentiert mit Archivmaterial und großteils versteckt gedrehten Aufnahmen u.a. von niedergeschlagenen Demonstrationen das Entstehen und Wachsen der Widerstandsbewegung gegen das Lukaschenko-Regime in Weißrussland.

Zu den stärksten Eindrücken im "Panorama" zählt die portugiesisch-russisch-französische Koproduktion "Transe" (Trance) von Teresa Villaverde. Der Spielfilm erzählt von einer jungen St. Petersburgerin, die im Westen eine bessere Zukunft sucht, doch von Mädchenhändlern nach Italien verkauft wird. In langsamen, dunklen Einstellungen zeichnet die portugiesische Regisseurin Sonias Leidensweg nach. Als albtraumhaftes brutales Stationendrama spiegelt der Streifen mehr und mehr den tranceartigen Geisteszustand der missbrauchten Frau wider.

Auch der "Panorama"-Beitrag "Kader" (Schicksal) des renommierten türkischen Regisseurs Zeki Demirkubuz ist eine Art Stationendrama, das von einer seelisch-emotionalen Grenzüberschreitung erzählt. Der junge Teppichhändler Bekir verliebt sich in ein Mädchen aus der Nachbarschaft, das mit einem Kriminellen liiert ist. Zunächst fügt er sich in das scheinbar für ihn vorgezeichnete Los und heiratet eine andere Frau, die seine Eltern für ihn ausgesucht haben. Doch als der Gefährte der Angebeteten verhaftet wird, bricht Bekir aus. Die rücksichtslose Besessenheit seiner Liebe bis zur Selbstaufgabe wird für ihn zum Schicksal. Eingebettet in realistische Milieuschilderungen und ohne Sentimentalität zeichnet Demirkubuz eine Entwicklung nach, die in ihrer Radikalität religiöse Züge trägt. (APA)