Bild nicht mehr verfügbar.

Landeshauptfrau Gabi Burgstaller: "Die ÖVP bewegt sich bei der Frage der Studiengebühren keinen Millimeter. In dieser Koalition, fürchte ich, ist das letzte Wort gesprochen."

Foto: Reuters/Foeger
In ihrer Rolle als Vorsitzende der Landeshauptleute-Konferenz hat sich Gabi Burgstaller (SPÖ) vorgenommen, gemeinsam mit den anderen Landeshauptleuten die Finanzierung für das Sozial- und Gesundheitssystem sicherzustellen.

Im Interview mit derStandard.at beharrt sie auf der Umsetzung der "bedarfsorientierten Mindestsicherung", kritisiert die "nicht funktionierenden" Vorschläge beim Nichtraucherschutz, und tritt dem Irrglauben, "dass die Hauptschule die Schule für sozial schwächere Schichten ist" entgegen. Die Fragen stellte Rosa Winkler-Hermaden.

******

derStandard.at: Ein halbe Million Österreicher sind armutsgefährdet. Als Möglichkeit der Bekämpfung von Armut schlug die SPÖ eine "Mindestsicherung" vor. Die Regierung gab nun als Kompromisslösung die Anhebung der Sozialhilfe auf 726 Euro pro Monat bekannt. Reicht Ihnen das?

Gabi Burgstaller: Nein. Das wesentliche für die Bekämpfung der Armut ist, dass die Menschen Arbeit haben, das heißt, das erste Ziel ist für mich die Vollbeschäftigung. Das zweite ist die Verbesserung der Bildung. Es zeigt sich überall auf der Welt und auch in Österreich, dass geringe Bildungschancen mit Armut Hand in Hand gehen.

Zusätzlich braucht es ein soziales Netz. Hier ist meiner Meinung nach der Weg der bedarfsorientierten Mindestsicherung der richtige. Die Sozialhilfeanhebung ist zu wenig, es braucht auch Anhebungen beim Arbeitslosengeld und bei der Notstandshilfe.

derStandard.at: Werden die Anhebungen kommen?

Burgstaller: Es ist so mit dem Regierungspartner vereinbart. Mindestsicherung darf nicht nur eine Anhebung der Sozialhilfe bedeuten.

derStandard.at: Um die Maßnahmen umzusetzen muss eine Vereinheitlichung der Sozialhilfesysteme der Länder durchgeführt werden. Seit Jahren gelingt es nicht, sich auf ein gemeinsames System zu einigen. Wann kommt die Reform?

Burgstaller: Erst seit Alfred Gusenbauer Bundeskanzler ist und Erwin Buchinger Sozialminister gibt es ernsthafte Bestrebungen in diese Richtung. Ich als Landeshauptfrau halte es für richtig, dass wir generelle Maßstäbe für ganz Österreich entwickeln. Ich gehöre nicht zu den Föderalisten, die der Zuständigkeit halber auf Inhalte verzichten.

derStandard.at: Bei der Frage der Pflege-Finanzierung ist es schon zu der einen oder anderen Meinungsverschiedenheit zwischen Ihnen und Minister Buchinger gekommen. Buchinger entstammt "Ihrer" Landesregierung. Positionen können anscheinend schnell auseinander gehen…

Burgstaller: Das liegt in der Natur der Sache. Wenn der Bund etwas regelt, muss er sich auch um die Finanzierung kümmern. Minister Buchinger wäre sicher dafür, dass wir (Anm.: die Bundesländer) mehr Geld vom Finanzminister bekommen, nur ist er verantwortlich dafür, eine Lösung zu finden, mit der alle zufrieden sind.

derStandard.at: Sie haben ja bei den Koalitionsverhandlungen den Bereich Gesundheitspolitik ausverhandelt. Agiert Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky nun nach Ihren Vorstellungen?

Burgstaller: Im Gesundheitsbereich wurde vieles im Rahmen des Regierungsprogramms vereinbart, wir warten aber noch auf die Umsetzung, die bis jetzt nicht einmal in der Raucherfrage angegangen worden ist. Auch die Obergrenzen bei den Medikamentenkosten wurden vereinbart, aber ich sehe weit und breit keine Regierungsvorlage oder Umsetzungen.

derStandard.at: Was fordern Sie von der Gesundheitsministerin?

Burgstaller: Ich möchte, dass sie einen Zeitplan für die Umsetzungen bekannt gibt. Ich möchte wissen, wann wir mit entsprechenden Gesetzesvorlagen rechnen können. Vor allem der Nichtraucherschutz ist mir ein Anliegen. Die sogenannte partnerschaftliche Vereinbarung zwischen Ministerium und Gastronomie funktioniert in der Praxis nicht. Nichtraucherschutz kann man nicht betreiben, wenn man einen Tisch eines Rauchers neben einen Tisch eines Nichtrauchers platziert.

derStandard.at: Zum Thema Gesamtschule. Was soll mit der von Ihnen einberufenen Sonderkonferenz erreicht werden?

Burgstaller: Ich möchte ein Best-Practice-Modell präsentieren. Ich hatte schon mehrfach das Vergnügen – es ist wirklich ein Vergnügen – mir das finnische Schulmodell anzuschauen. Ich werde einen Gastreferenten einladen, der uns das Modell nahe bringt und hoffentlich auch dem letztem Skeptiker zeigt, dass es keine Nivellierung nach unten bedeutet, sondern genau das Gegenteil: es ermöglicht eine individuelle bestmögliche Förderung eines jeden Kindes.

derStandard.at: Glauben Sie, dass Sie die ÖVP umstimmen können?

Burgstaller: Ich habe in den letzten Monaten auch sehr viele positive Signale aus der ÖVP gehört. Viele wollen etwas neues versuchen. Irgendwann wird es auch in der ÖVP einen Gerechtigkeits- und Modernisierungsschub geben, hoffe ich.

derStandard.at: Hat die SPÖ nicht schon genug Druckmittel? Von vielen Bildungsexperten wird die Selektion im Alter von 10 Jahren kritisiert. Wieso sträubt sich die ÖVP so sehr dagegen?

Burgstaller: Die ÖVP vertritt leider immer noch die Meinung, dass die Hauptschule die Schule für sozial schwächere Schichten ist. Ich finde, die Schule ist für die Kinder da und die Kinder sollen sich Ihren Fähigkeiten entsprechend entwickeln können.

derStandard.at: Warum hat es die SPÖ nicht schon längst geschafft die Gesamtschule durchzusetzen?

Burgstaller: Es gibt in der ÖVP in der Bildungspolitik leider seit Jahrzehnten den Vorrang der Ideologie gegenüber der Zukunftschancen der Kinder. Allmählich wird das aber etwas abgebaut und ich hoffe, dass in einigen Wochen auch die ÖVP draufkommt, dass die Menschen wichtiger sind als die Partei.

derStandard.at: Wie glücklich sind Sie mit dem von Minister Hahn präsentierten Studiengebühren-Befreiungs-Modell?

Burgstaller: Nicht besonders. Mir wäre natürlich der freie Zugang zur Universität am liebsten. Man sollte sich andere Finanzierungsmodelle überlegen, man könnte zum Beispiel innerhalb von Europa Zahlungsvereinbarungen treffen. Das funktioniert in Deutschland: Wenn ein Student aus Hessen in Bayern studiert gibt es dafür einen Finanzausgleich.

Die ÖVP will die Studiengebühren nicht abschaffen. Beim präsentierten Modell geht es nicht um eine soziale Maßnahme für Studenten, sondern es geht eher in die Richtung, wer sich engagieren will kann das tun. Das mag motivierend sein für den einen oder anderen, aber man muss sich das Modell leisten können und das ist das Problem dabei.

derStandard.at: Josef Cap hat vor ein paar Wochen noch gemeint, das letzte Wort sei bei er Frage der Studiengebühren noch nicht gesprochen. Minister Hahn hat gesagt, dass man realisieren muss, dass die Gebühren nicht abgeschafft werden.

Burgstaller: In dieser Koalition, fürchte ich, ist das letzte Wort gesprochen. Die ÖVP bewegt sich bei der Frage der Studiengebühren keinen Millimeter. (derStandard.at, 7.5.2007)