Jeweils montags und donnerstags eine Stadtgeschichte Thomas Rottenberg

Es war gestern. Da war ich im Kino. Und erlebte, wie schön es ist, wenn sich große Konzerne langsam darauf besinnen, dass es eben doch einen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt. Und sich endlich um uns Männer kümmern. Weil sonst eh alles total verweich- also verweiblicht worden ist.

Im Kino – es war eine Premiere – war vorgesorgt. Auf jedem Sitz lag ein TV-Magazin, irgendein anderes Sponsorenheft und ein großer Karton Popcorn. Und in der Halterung an der Armlehne gab es Limo. Pro Sitz eine Flasche. Meine Begleitung (Kinopremieren gehören zu den wenigen Society-Events, bei denen sich meine Freunde nicht mit Grausen vorher abmelden, weil sie das Kaninchen der Nachbarin zu füttern oder die Socken der kleinen Geschwister zu bügeln vergessen haben – das dürfte mit der Blickrichtung, der Dunkelheit und den darin verlieren gehenden Wiener Wichtigkeiten zusammenhängen) motzte: da hätten wir aber schon mehr & Besseres geboten bekommen.

Öha!

Egal. Denn als Profigast nimmt man schließlich, was man kriegt – und als wir uns dann zwischen den Goodies ausgebreitet hatten, griff meine Begleitung (das Geschlecht sei hier nicht verraten) zur Flasche. "Öha, Männercola!" Tönte es da von der Seite. Wir stutzten: Wieso "Männercola?" fragte meine Begleitung und warf einen Blick auf das Cola-Flascherl in der Hand: "Zero" stand drauf. "Weil", kam die Anwtort vom Nebensitz, "da eben Männercola ist. Nix für Weicheier."

Wir waren neugierig geworden. Vorne laberte wer zum Film – aber das war uns jetzt egal. Der vom Nebensitz stellte sich als Marketingmensch (nicht von Coca Cola) vor – und erläuterte: Die Cola-Menschen hätten rausgefunden, dass sich Männer – also richtige, sprich Hetero-Männer – nicht an Cola-Light rantrauten. Weil das weibisch sei. Also in etwa so, wie eine Aerobic- oder (noch besser) Bauch-Bein-Po-Stunde im Fitnesscenter: Man weiß, dass das von der Idee her eine gute Sache ist, bleibt aber dann doch lieber unter der komplett schwachsinnigen Langhantel liegen, grunzt und wuchtet Tonnen über den Kehlkopf. Weils heroisch waghalsig aussieht. Aber im echten Leben ist den Frauen der hypertrophe Brustmuskel dann völlig wurscht. Im besten Fall.

Light-Dilemma

So ähnlich, erfuhren wir, sie das auch mit Light-Produkten: Männer greifen die nicht an. Außerdem sei da im Geschmack und in irgendwelchen Inhaltsstoffen ein Unterschied. Chemie halt. Ich schaute auf mein soeben vor dem Saal gekauftes Light-Cola und bekam Angst: Pumpen die mich da gar mit weiblichen Hormonen voll? Plötzlich fühlte ich mich ganz und gar nicht mehr wie ein Mann. Eher wie ein Lulu. Dabei dusche ich in der Früh kalt. Meine Begleitung grinste. Der Marketingmensch sah mich an, las meine Gedanken und zuckte mit den Schultern: So schlimm werde das schon nicht sein.

Als der Film begann erinnerte ich mich dann daran, neulich im Supermarkt einer Frau beim Wochenendeeinkauf gesehen zu haben: Im Wagerl hatte sie sowohl Männer- als auch Frauencola. Aber ich hatte mir dabei nichts gedacht. Meine Begleitung reichte mir die Männercolaflasche: "Koste mal." Ich trank. Dann das Frauencola. "Schmeckst du einen Unterschied?" Meine Begleitung schüttelte den Kopf. Ich seufzte. Dann mischten wird die Getränke zusammen. Auch kein Unterschied. Aber das lag wohlan uns. Denn irgendeinen Unterschied muss es doch geben.

Epilog: Soeben, also nach dem letzten Absatz, war ich beim Cola-Automaten im Standard. Und meine nächste Tat wird ein furioses Beschwerdemail and en Automatenaufsteller sein: Der Automat hat nämlich zwei Schächte für Cola-Light und keinen für Cola-Zero: Das ist bezeichnend. Denn an die echten Bedürfnisse von uns Männern denkt in dieser Welt ja wirklich keiner mehr. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 31.5.2007)