Will mit Rudolf Leopold über ein Umdenken reden: Claudia Schmied.

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STANDARD: Sie kündigten an, in Sachen Kunstrückgabe Zeichen setzen zu wollen. Hat diese Ankündigung auch konkrete Auswirkungen – außer jener, die Empfehlungen des Beirats veröffentlichen zu wollen?

Claudia Schmied: Samt den Begründungen! Zudem habe ich vor, mich an diese zu halten.

STANDARD: Das tat auch Ihre Amtsvorgängerin.

Schmied: Drittens werde ich – auf Ihren Hinweis hin, dass seit 8. November 2006 keine Sitzung mehr stattfand – darauf achten, dass der Beirat ab nun regelmäßig zusammentritt: ähnlich wie Aufsichtsratssitzungen einmal im Quartal. Und der vierte, mir wichtigste Punkt: Ab der nächsten Sitzung werden wir einen neuen Vorsitzenden haben, und zwar Clemens Jabloner. Er ist als Präsident des Verwaltungsgerichtshofes und vor allem aufgrund seiner Tätigkeit in der Historikerkommission prädestiniert für diese Aufgabe. Ich freue mich wirklich sehr, dass es mir diese Woche gelungen ist, ihn zu gewinnen.

STANDARD: Er folgt in dieser Funktion auf Brigitte Böck?

Schmied: Ja. Brigitte Böck geht mit 1. August als Kultursektionsleiterin in Pension. Der Posten wird ausgeschrieben.

STANDARD: Wird es noch weitere Veränderungen im Beirat geben? Etliche Mitglieder sind schon seit Jahren im Amt, eine Auffrischung täte vielleicht gut.

Schmied: Ich kann als Ressortverantwortliche nur ein Beiratsmitglied bestellen. Aber ich werde mit den anderen Ministerien Gespräche über deren Besetzungspolitik aufnehmen. Für mich ist die Vorsitzführung durch Clemens Jabloner ein erster zentraler Schritt. Also: Wir werden transparenter, schneller. Zudem ist mir der wertschätzende Umgang mit den Betroffenen wichtig.

STANDARD: Im Rückgabebeirat sitzt ein Vertreter der Finanzprokuratur, die der Anwalt des Staates und daher nicht unbedingt auf Seiten der Rückstellungswerber ist, wie man z.B. im Fall Bloch-Bauer gesehen hat. Die Opfer oder deren Erben aber haben keine Parteistellung. Finden Sie das okay?

Schmied: Das ist die derzeitige Gesetzeslage. Entscheidend ist meiner Meinung nach die Haltung: Dass wir als Staat die Restitution als moralische Pflicht sehen. Zudem sollen die Opfer oder deren Erben nicht in die Rolle des Bittstellers gedrängt werden. Wenn es in diesem Zusammenhang sinnvoll sein sollte, das Gesetz zu novellieren, dann werden wir dies tun.

STANDARD: Der auf Kunstrestitution spezialisierte Anwalt Alfred Noll kritisierte, dass die Opfer oder deren Erben keinen Rechtsanspruch haben: Sie sind auf die Gnade der Republik angewiesen. Denn Sie als zuständige Ministerin sind zur Rückgabe ermächtigt, aber nicht verpflichtet. Ist eine Novellierung des Gesetzes nicht schon längst überfällig?

Schmied: Es stimmt, es besteht auf dem Papier kein Rechtsanspruch. Ich bin natürlich keine Expertin in Restitutionsfragen, ich kann nur sagen: Ich gehe mit größter Achtsamkeit und Wertschätzung an dieses Thema heran und werde mich mit Clemens Jabloner, der ja einen anerkannter Rechtsexperte ist, beraten, ob eine Gesetzesnovelle sinnvoll ist.

STANDARD: Das Rückgabegesetz gilt nur für die Bundesmuseen, aber nicht für das vom Staat finanzierte Leopold Museum, weil dieses eine Privatstiftung ist. Soll auch das Leopold Museum Naturalrestitutionen vornehmen? Und wenn ja: Wie wollen Sie dies erreichen?

Schmied: Der erste Schritt muss sein, Gespräche aufzunehmen – vor allem mit Direktor Rudolf Leopold persönlich. Auch in diesem Fall muss man eine Novelle des Gesetzes prüfen. Denn Faktum ist, dass das Leopold Museum von der gesetzlichen Verpflichtung ausgenommen ist, obwohl das Gebäude vom Staat errichtet wurde und die Stiftung jährliche Subventionen erhält.

STANDARD: Seit 1998 währt der Streit um das in New York beschlagnahmte "Bildnis Wally" von Egon Schiele. Die Prozesskosten gehen bereits in die Millionen Euro, ein Ende ist nicht abzusehen. Ist es richtig, weiter um das Bild zu kämpfen?

Schmied: Ich halte es durchaus für eine Möglichkeit, sich mit den Anspruchstellern außergerichtlich zu einigen.

STANDARD: Der Budgetansatz für die Provenienzforschung wurde nicht erhöht. Steht aufgrund der Inflation also nicht weniger Geld zur Verfügung als unter Ihrer Vorgängerin?

Schmied: Das ist richtig. Trotzdem können wir mit 400.000 Euro Forschungsarbeit leisten. Ich werde mich dennoch bemühen, zusätzliche Mittel zu erschließen, sollten wir weitere dringende Nachforschungen machen müssen. Bei Bedarf werde ich ab 2009 entsprechend mehr Mittel im Budget vorsehen.

STANDARD: Wilfried Seipel, Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums, verkündete, dass es keine NS-Raubkunst mehr in seinem Haus gäbe. Ist dies auch Ihre Meinung?

Schmied: Der Forschungsbericht, der die Grundlage für diese Aussage bildete, stammt aus 1999. Wir müssen heute aber auch Quellen berücksichtigen, die damals noch nicht zur Verfügung standen. Ich werde dafür sorgen, dass man die Angelegenheit nicht für abgeschlossen betrachtet: Es muss, meiner Ansicht nach, im KHM – wie in den anderen Museen auch – laufend geforscht werden.

STANDARD: Der Bericht wurde vom Hausarchivar erstellt, was heftig kritisiert wurde, weil die Distanz zu gering erschien: In seinen Veröffentlichungen vor 1999 hatte Herbert Haupt die erzwungenen Schenkungen der Familie Rothschild verharmlost dargestellt. Die Generaldirektorin der Nationalbibliothek übertrug daher die Provenienzforschung einer externen Historikerin.

Schmied: Schon allein um sich nicht dem – möglicherweise sogar unbegründeten – Vorwurf der tendenziösen Darstellung auszusetzen, spricht es dafür, jemanden von außen heranzuziehen. Das halte ich für sehr sinnvoll.

STANDARD: Es gibt viel geraubtes herrenloses Gut, darunter Tausende Bücher in der Nationalbibliothek. Bereits 1998 wurde beschlossen, dieses dem Nationalfonds zur Verwertung zu übergeben. Wie lange will die Regierung noch zuwarten?

Schmied: Der wesentliche Punkt ist: So lange es auch nur den geringsten Hinweis auf einen Vorbesitzer oder dessen Erben gibt, sollten wir nach diesen suchen – und die Kunstwerke nicht zugunsten der Opferverbände verwerten. Da muss man mit höchster Sorgfalt umgehen. Daher warten wir noch zu, auch wenn es bei den ÖNB-Druckschriften keine Hinweise mehr auf rechtmäßige Eigentümer gibt.

STANDARD: Der Galerist John Sailer schlug vor, eine Nationalstiftung zu gründen, um Rückkäufe tätigen zu können. Ihre Meinung?

Schmied: Ein guter Vorschlag. Und wunderbar, wenn sich dafür Sponsoren finden. Sie kennen mein knappes Kunst- und Kulturbudget. Daher: Ich investiere die Mittel lieber in die zeitgenössische Kunst. Aber vielleicht gelingt es uns, eine solche Nationalstiftung in ein künftiges Regierungsprogramm aufzunehmen.

(Thomas Trenkler / DER STANDARD, Printausgabe, 01.06.2007)