"Alle Innovationen kommen von privaten Spenden und Unternehmen": SOS-Kinderdorf-Geschäftsführer Wilfried Vyslozil in der Diskussion mit Microsoft-Europa-Chef Neil Holloway über die sozialen Pflichten von Konzernen.

Foto: Standard/Heribert Corn
Wilfried Vyslozil, Geschäftsführer von SOS-Kinderdorf, und Neil Holloway, Europachef von Microsoft, sprechen mit Helmut Spudich über ihre Partnerschaft und welche gesellschaftliche Verantwortung Unternehmen über das Befolgen von Gesetzen und Steuerzahlen hinaus haben.

***

STANDARD: Was bringt die Zusammenarbeit zwischen gemeinnützigen Organisationen, NGOs und Unternehmen?

Vyslozil: Ich habe oft das Gefühl, dass Corporate-Partners NGOs als unprofessionell ansehen und dazu neigen, etwa einen Spielplatz einrichten zu wollen. Das ist sehr nett, aber die meisten NGOs haben eine sehr professionelle Struktur und wir brauchen die Hilfe professioneller Partner, das ist das Beste, was uns bisher in unserer Beziehung mit Microsoft passierte. Wir hoffen, dass daraus eine langfristige Beziehung entsteht.

Holloway: Es gibt zwei Ebenen der Beziehungen mit NGOs. Das eine ist ihnen zu helfen, als Organisation wirkungsvoller tätig sein zu können, etwa zu zeigen, wie sie Technologie besser einsetzen können. Das andere ist, dass wir unsere Möglichkeiten in Einklang mit den Zielen dieser NGOs bringen. Um eine erfolgreiche Beziehung herstellen zu können, muss man ein gemeinsames Ziel haben, man muss auf lokaler Ebene tätig sein, man muss anpassungsfähig sein, und voneinander lernen.

STANDARD: In reichen Ländern wie Österreich haben Kinder gesetzlich garantierte Rechte, um gute Lebenschancen zu gewährleisten. Warum sind dafür Spenden nötig?

Holloway: Viele Länder haben das in Gesetzen verankert, aber es braucht NGOs, damit es auch umgesetzt wird. Gleich, ob es um Kinder, ältere Bürger, Arbeitslose, oder die Diversität der Gesellschaft geht - es geht um das Zusammenwirken von NGOs, Regierungen und Unternehmen, damit solche Dinge auch funktionieren. In Belgien gibt es zum Beispiel eine Beschäftigungsinitiative, die es in den vergangenen zwölf Monaten geschafft hat, 800 Frauen in IT-Berufe zu bringen. Das wäre nicht passiert, wenn nicht gemeinsame Ziele zwischen privatem und öffentlichem Sektor formuliert worden wären.

Vyslozil: Offen gesagt, wir bitten hier in Österreich um Unterstützung, um sie weltweit einzusetzen. Der Aufwand für die Betreuung österreichischer Kinder wird vom Staat getragen. Aber es gibt Situationen - zum Beispiel, wenn sie das 18. Lebensjahr erreichen und etwa wegen einer Behinderung weitere Betreuung brauchen -, wo der Staat nicht zahlt. Alle Innovationen, die wir in Österreich eingeführt haben, kommen aus privaten Spenden und von Unternehmen. Ohne diese Zuwendungen würden unsere Programme stagnieren.

Bei der Suche nach Partnern achten wir darauf, dass wir auch bei der Kommunikation unterstützt werden, welche Probleme es gibt, und welche Lösungen dafür. Oft sind Regierungen gegen solche Projekte, darum müssen unsere Partner entsprechendes Gewicht haben, um Widerstände überwinden zu helfen.

STANDARD: Wir brauchen also NGOs, die Rechte einfordern, und Unternehmen, die außerhalb ihrer regulären Pflichten dies gleichfalls tun?

Holloway: Kommt darauf an, was Sie unter regulären Pflichten eines Unternehmens verstehen.

STANDARD: Die Gesetze befolgen und Steuern zahlen.

Holloway: Unternehmen und ihre Leader begreifen, dass wir darüber hinaus gesellschaftliche Verantwortung tragen. Microsoft hat das Glück, dass unsere Vorstellung dieser Verantwortung mit unserer Unternehmensmission übereinstimmt. Unsere Vision ist es, Personen und Unternehmen bei der Verwirklichung ihres Potenzials zu helfen. Das lässt sich leicht mit unserer sozialen Verantwortung verbinden.

STANDARD: Reden wir über "Corporate Citizenship". Gibt es ein Anrecht darauf?

Holloway: Wir veröffentlichen unsere Citizenship-Strategie, und unsere Manager sind für ihre Umsetzung verantwortlich. Es gibt Ziele über den Umfang der Zusammenarbeit mit NGOs, und deren Erreichung wird intern kontrolliert. Wenn ein Country-Manager gute Geschäftsergebnisse, aber schlechte Beziehungen zu seinem lokalen Markt hat, würde er sich nicht lange halten. Wir streben nach langfristigen Beziehungen mit den NGOs, die wir unterstützen, aber das heißt nicht, dass sich im Laufe von Jahren nicht auch Änderungen ergeben.

Vyslozil: Wir begrüßen diese freiwilligen Praktiken sehr, und sie sind sehr spät in Österreich eingeführt worden. Wir haben sehr dazu beigetragen, dieses Konzept zu unterstützen. Aber sie sind natürlich kein Ersatz für die Gesetzgebung und soziale Rechte.

STANDARD: Dürfen Kinderdorf-Kinder iPods haben, oder SOS Linux verwenden?

Holloway: Wir haben vor wenigen Tagen ein Programm bekannt gegeben, das NGOs ermöglicht, bis zu 300 Lizenzen von Microsoft-Software unentgeltlich zu erhalten. Das wird von einem unabhängigen Unternehmen namens TechSoup abgewickelt. NGOs können sich frei entscheiden, welche Software sie verwenden und was nicht. Ich weiß nicht, welche Software SOS verwendet, oder ob sie Linux verwenden - das ist uns egal.

Vyslozil: Ich könnte eine solche Auflage nicht akzeptieren. Das würde bedeuten, dass dieser Partner die Rolle einer NGO nicht versteht: Denn unser Kapital ist unsere Unabhängigkeit vom Staat und von Unternehmen. (Helmut Spudich, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.06.2007)