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Gusenbauer kann sich eine Verlängerung der Amnestie vorstellen - stellt aber zwei Bedingungen an Molterer

APA/Roland Schlager
Wien - Bundeskanzler Alfred Gusenbauer versucht, mit einem Kompromissvorschlag Bewegung in die festgefahrenen Fronten in Sachen Pflege zu bringen. Er ließ im Interview mit der "Kleinen Zeitung" wissen, dass er sich eine Verlängerung der Ende Juni auslaufenden Amnestieregelung vorstellen kann und bekräftigte seine Verhandlungsbereitschaft zur Förderung der Pflege durch Selbstständige.

Zwei Bedingungen

Die ÖVP hat zuletzt die Verlängerung der Amnestieregelung und eine Zuschuss auch bei Pflege durch selbstständige Kräfte gefordert, die SPÖ lehnte dies ab. Gusenbauer kann sich jetzt eine Verlängerung der Amenstie vorstellen, nennt dafür im Zeitungs-Interview aber zwei Bedingungen: Vizekanzler Wilhelm Molterer müsse in den nächsten Tagen ein finanzielles Gesamtkonzept vorlegen und ein Verteilungsschlüssel für Förderung von selbstständigen und unselbstständigen Pflegekräfte müsse fixiert werden. Gusenbauer strebt ein Verhältnis von 1:4 an.

Schon nach dem Ministerrat in der Vorwoche hatte Gusenbauer Gesprächsbereitschaft über die selbstständigen Pflegekräfte gezeigt, aber betont, dass die Förderungen für sie geringer ausfallen müsse als jene für angestellte Pflegekräfte.

"Tragfähiger Kompromiss"

Er mache diesen "tragfähigen Kompromiss im Sinne der Leute, die diese Pflege brauchen", betonte Gusenbauer gegenüber "Kleinen Zeitung" - und ergänzte, es wäre "sinnvoll, innerhalb der Bundesregierung bald zu einer Einigung zu kommen".

Auch Buchinger kann sich Verlängerung vorstellen

Auch Sozialminister Erwin Buchinger würde sich unter bestimmten Bedingungen nicht länger gegen eine Verlängerung der Amnestie illegaler Pflegekräfte wehren. Sollte die ÖVP dem "Kompromissvorschlag" von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer zustimmen, dann könne er sich eine Verlängerung der Ausnahmeregelung vorstellen, auch wenn er sie eigentlich für sinnlos erachte. Bedingung sei, dass es eine Zusage von Finanzminister Wilhelm Molterer zur Förderung der Rund-um-die-Uhr Betreuung daheim auch für jene Betroffenen gibt, die Pflegegeld der Stufen 3 und 4 beziehen, so Buchinger am Dienstag gegenüber der APA.

Er halte zwar eine Verlängerung der Amnestieregelung über den 1. Juli hinaus für nicht zweckmäßig, so Buchinger. Denn seine "Hauptstoßrichtung" sei nach wie vor, ab 1. Juli die bereits beschlossene Neuregelung (Anmeldung der bisher illegalen Pflegekräfte nach dem neuen Hausbetreuungsgesetz sowie Förderung ab Pflegestufe 5) umzusetzen.

Wenn dies sowie die Förderung der Betreuung durch selbstständig tätiges Personal aber Wunsch der ÖVP sei, könne man darüber reden. Bedingung sei aber, dass das Paket eben auch die Förderung der Betreuung jener Pflegebedürftiger beinhalte, die Pflegegeld nach den Stufen 3 und 4 beziehen. Er teile die Auffassung Gusenbauers, dass man dies in einem Gesamtpaket regeln könne.

Zumindest bis Ende 2007

Auch Vizekanzler Finanzminister Wilhelm Molterer hat sich am Dienstag erneut für die Verlängerung der Amnestie-Regelung für illegale Pflegekräfte ausgesprochen, und zwar zumindest bis Jahresende 2007. "Wir werden darüber Konsens erzielen", zeigte sich der Vizekanzler zuversichtlich, dass die Koalition eine Lösung findet. Ein Auslaufen der Amnestie kann sich Molterer auch deswegen nicht vorstellen, weil dann zwischen der Verlautbarung und dem Stichtag 1. Juli nur acht Arbeitstage lägen - eine unzumutbare Belastung für die Betroffenen. Der Finanzminister will daher diese Woche darüber reden und ein "Gesamtpaket" schnüren.

Molterer verwies im Klub der Wirtschaftspublizisten heute aber auch auf die Übergangsfristen betreffend des Zugangs für Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern auf den Arbeitsmarkt, die von Österreich 2009 - mit Begründung - bis 2011 verlängert werden können. Dabei trete er zwar nicht für eine generelle Arbeitsmarktöffnung ab 2009 ein, angesichts der guten Konjunktur und der Arbeitsmarktentwicklung will Molterer aber über eine sektorale bzw. regionale Öffnung diskutieren. Wenn der österreichische Arbeitsmarkt ab 2009 möglicherweise teilweise geöffnet wird, könnte dies auch die Pflegekräfte einbeziehen. "Wenn es eine Diskussion in diese Richtung gibt, bin ich dabei", deutete Molterer die Möglichkeit einer Amnestieverlängerung bis 2009 an, die dann in eine selektive Arbeitsmarktöffnung für Pflegekräfte aus den neuen EU-Ländern übergehen könnte.

Bei der Förderung von selbstständigen bzw. unselbstständigen Pflegern ist für Molterer zwar eine "gewisse Differenzierung denkbar", das von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer angestrebte Verhältnis von 1 : 4 hingegen lehnt er ab.

Der Finanzminister will auch die Länder bei der Finanzierung des neuen Pflegemodells in die Pflicht nehmen. Molterer zeigte sich dabei auch grundsätzlich bereit, die öffentliche Förderung auf die Pflegestufen drei und vier auszudehnen.

Wirtschaftsminister begrüßt Vortsoß

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein hat den Vorstoß von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer zur Verlängerung der Amnestieregelung für illegale Pflegekräfte begrüßt. Gegenüber der APA meinte der Minister am Dienstag, damit habe der Kanzler die Tür für eine Einigung noch im Juni "ein gutes Stück weit auf" gemacht. Sozialminister Erwin Buchinger müsse nun "da nur noch durchgehen", so Bartenstein in Richtung seines Ministerkollegen.

Auf die von Gusenbauer aufgestellten Bedingung zu einem Ja auch zur Förderung der selbstständigen Pflege wollte Bartenstein "nicht ins Detail einsteigen". Klar sei aber, dass die Sozialversicherungsbeiträge für Selbstständige doch deutlich unter den Beträgen für Unselbstständige liegen würden. Gusenbauer hatte einen Förderschlüssel von 1:4 (Selbst- zu Unselbstständigen) gefordert. Man werde dies "in den nächsten Tage besprechen". Die Äußerungen Gusenbauers, der sich eine Verlängerung der Ende Juni auslaufenden Amnestieregelung "vorstellen" kann, würden seinen Eindruck aus der Ministerratssitzung aus der letzten Woche bestätigen, dass hier eine "gute Einigung" möglich sei, so Bartenstein. Er sprach von "Stufe zwei" bei der Lösung des Pflegeproblems und sieht "deutliche Verbesserungen" in Reichweite.

"Wir brauchen die Länder an Bord"

Gleichzeitig nahm der Minister erneut die Länder in die Pflicht: Deren finanzielle Unterstützung in Sachen Pflege daheim müsse vergleichbar sein mit dem Niveau der Unterstützung im Heim. Er erinnerte daran, dass es bei der Finanzierung der Pflege "primär um Zuständigkeit der Länder" gehe. Konkrete Aktivitäten seien aber in den letzten Monaten ausschließlich von Seiten des Bundes gesetzt worden. "Wir brauchen die Länder an Bord", so der Minister. Das Thema werde ein "wesentlicher Bestandteil der Finanzausgleichsverhandlungen" sein müssen.

Kritik an Gusenbauer hagelte es von FPÖ und BZÖ: Der freiheitliche Behindertensprecher Norbert Hofer sieht den Kanzler "auf dem Altar der ÖVP wieder einmal in die Knie gegangen". Eine Verlängerung der Amnestie sei ein "Eingeständnis der eigenen Unfähigkeit", binnen einer vernünftigen Frist eine Lösung für pflegebedürftige Menschen in Österreich auf Schiene zu bringen. Das BZÖ forderte indes in einem Rundumschlag die Regierungsparteien auf, "endlich zu arbeiten oder sofort abzutreten". "Es muss endlich Schluss sein mit diesem Affentheater", meinte Bündnis-Chef Peter Westenthaler.

Blecha und Khol für Amnestie-Verlängerung

Auch die Pensionistenvertreter der Koalitionsparteien harmonieren neuerdings bei der Verlängerung der Amnestieregelung für illegale Pflegekräfte. In einer gemeinsamen Aussendung am Dienstag forderten die Präsidenten des Seniorenrates, Karl Blecha und Andreas Khol diese Maßnahme "bis zur Lösung der Übergangsprobleme". Der Erklärung vorausgegangen war eine Aussprache mit Vizekanzler Wilhelm Molterer.

Abermals betonten beide Seniorenrats-Präsidenten "die Wichtigkeit einer umfassenden Lösung der derzeitige Pflege- und Betreuungsdiskussion". Die Diskussion der letzten Tage habe die Menschen verunsichert, am Wichtigsten sei es deshalb, "den Menschen die Angst zu nehmen und die Amnestie zu verlängern", so Khol. Blecha forderte Nachbesserungen bei der Neuregelung der 24-Stunden-Betreuung: "Die Förderungen müssen ausgeweitet, Demenzkranke stärker berücksichtigt werden."

Förderung für Selbstständige

Neben der Amnestie-Verlängerung und der besseren Einstufung sei auch eine zusätzliche Förderung für selbstständig tätige Betreuer gefragt, lautet eine weitere Forderung. Zudem müssten die zusätzlichen Kosten gerecht auf alle Gebietskörperschaften verteilt werden. Bei der Finanzierung der neuen Regelung dürfe sich niemand sperren, zumal "alle Gebietskörperschaften derzeit auf Grund der guten Wirtschaftslage über zusätzliche Steuereinnahmen verfügen", meinte Blecha.

Khol und Blecha lieferten auch moralische Unterstützung für das Spitzengespräch zwischen Molterer und Bundeskanzler Alfred Gusenbauer: "Wir werden sie dabei tatkräftig unterstützen." (APA)