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Grafik: APA
Der Anteil der Löhne an der Wirtschaftsleistung der Industrieländer hat sich deutlich verringert - in Österreich dreimal so schnell wie im OECD-Schnitt. Die OECD empfiehlt, mehr Anreize zur Jobaufnahme zu schaffen und Einkommen zu entlasten - etwa durch Steuern für Gesundheit.

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Zwischen 1995 und 2005 ist der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 66,2 auf 60 Prozent gesunken - dreimal so schnell wie im Durchschnitt der 20 OECD-Länder, für die Daten vorliegen. Auch der Anteil kurzzeitig Beschäftigter (kürzer als ein Jahr im Job) ist in Österreich vergleichsweise schnell von elf Prozent auf über 15 Prozent gestiegen. Stabil - bei knapp zehn Jahren - war dagegen die durchschnittliche Verweildauer im Beschäftigungsverhältnis. Das geht aus dem OECD-Beschäftigungsausblick hervor, der gestern Dienstag präsentiert.

Die OECD rät Österreich daher zu einigen Gegenmaßnahmen. So sollte etwa die "Unterstützung für Arbeitslose stärker daraufhin überprüft werden, inwieweit sie beschäftigungsfreundlich wirkt" - wobei der Anreiz nicht allein in niedrigeren Transferleistungen liegen müsse.

"Wenn man die Sozialhilfe nicht absenken will, dann könnte man Abgaben und Besteuerung bei niedrigeren Löhnen senken", sagt Matthias Rumpf von der OECD-Niederlassung in Berlin zum STANDARD. So könnten Geringverdiener mehr Motivation bekommen, einen Job aufzunehmen. Die OECD empfiehlt außerdem den Österreichern, stärker zu signalisieren, "dass sie sich selber um Umschulungen kümmern müssen".

"Politik entscheidend"

Eine "intensivere Betreuung, Trainingsmaßnahmen und andere Auflagen sowie der moderate Einsatz von Sperrzeiten" können Arbeitslose dazu bringen, selbst aktiver eine Folgebeschäftigung zu suchen. Erfahrungen in den nordischen Länder und in Australien hätten gezeigt, dass solche Politik, wenn sie gut gestaltet ist, die Beschäftigungsperspektiven von Arbeitslosen deutlich erhöht.

"Die Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik eines Landes entscheidet wesentlich darüber, ob Menschen von der Globalisierung profitieren oder nicht", sagt OECD- Beschäftigungsexperte Raymond Torres. "Wenn hier die richtigen Entscheidungen getroffen werden, können die Regierenden mehr für die Beschäftigung und die Arbeitnehmer tun als durch Handels- oder Investitionsprotektionismus."

Risiko für Ungebildete

Die Globalisierung hat laut der Studie die "Verhandlungsmacht von weniger qualifizierten Arbeitnehmern in den OECD-Ländern verringert". Arbeitsplatzverlagerung oder die Drohung damit hätten "das Risiko von Arbeitslosigkeit erhöht und die Lohnentwicklung gedämpft".

Für Thomas Leoni vom Institut für Wirtschaftsforschung in Wien (Wifo) spielen für das besonders starke Abfallen der Lohnquote in Österreich zwei Faktoren eine Rolle: "Die schwache Lohnentwicklung und der überdurchschnittliche Beschäftigungszuwachs von Personengruppen mit geringen Löhnen wie Teilzeitbeschäftigung", sagte Leoni zum STANDARD.

Steuern für Gesundheit

Ländern mit hohen Sozialbeiträgen (neben Österreich auch Deutschland und Belgien) empfiehlt die OECD, die Finanzierung der sozialen Sicherung auf breitere Basis zu stellen. Vor allem bei der Krankenversicherung, "wo die geleisteten Beiträge nicht den Umfang der Leistungen bestimmen", könnte eine Steuerfinanzierung zu einer Entlastung der Arbeitseinkommen führen. Als Gegenfinanzierung werden Mehrwert- oder Einkommensteuer vorgeschlagen.

Bis 2008 rechnet die OECD in den Mitgliedstaaten mit einer Abschwächung beim Beschäftigungszuwachs aufgrund der sich abkühlenden Weltkonjunktur. Man geht nur noch von einem Wachstum von ein Prozent aus - nach 1,6 Prozent im Jahr 2006 und 1,3 Prozent im Jahr 2007. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.6.2007)