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Eva Glawischnig: "Ich finde es empörend, dass wir im Jahr 2007 ein Gremium haben, das die Spielregeln der Bundesverfassung für die nächsten 50 bis 70 Jahre ausmacht, an dem keine Frau beteiligt ist. Das geht einfach nicht mehr."

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Franz Fiedler: "Es soll bitte nicht der falsche Eindruck entstehen, hier würde hinter verschlossenen Türen etwas ausgehandelt, was dann später weder zur Diskussion gestellt wird, noch einer Änderung unterzogen werden darf."

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"Meine Angst und Befürchtung ist, dass es keine Änderungsmöglichkeiten mehr geben wird - weil paktiert wird", Eva Glawischnig betrachtet die Arbeit der Expertengruppe zur Verwirklichung der Staatsreform im Gespräch mit derStandard.at kritisch. Sie bemängelt, dass die Expertenauswahl ausschließlich von den Regierungsparteien getroffen wurde und befürchtet, dass deshalb ein "reines Proporzpaket" entsteht und es zu "Tauschgeschichten" kommen werde. Denn schon beim ersten Teil der Staatsreform, der Wahlrechtsreform, sei dieses Szenario eingetreten: "Die einen bekamen die Wahlaltersenkung, die sie schon immer wollten, die anderen das Briefwahlrecht."

Die Expertengruppe - eingesetzt von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Vizekanzler Wilhelm Molterer - setzt sich aus Vertretern der Regierungsparteien und Verfassungsjuristen zusammen. Nicht geladen wurde die Opposition. Keiner der Vertreter, die schon längst fällige Reformen verwirklichen und ausarbeiten sollen, ist weiblich. Was die stellvertretende Grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig ebenfalls kritisiert. Zwar wurde Landeshauptfrau Gabi Burgstaller zum Mitglied der Expertengruppe ernannt, sie wird aber vom Verfassungsrechtler Ewald Wiederin vertreten. Eva Glawischnig zu diesem Umstand: "Ich finde es empörend, dass wir im Jahr 2007 ein Gremium haben, das die Spielregeln der Bundesverfassung für die nächsten 50 bis 70 Jahre ausmacht, an dem keine Frau beteiligt ist. Das geht einfach nicht mehr."

"Unter Ausschluss der Öffentlichkeit"

Am meisten ärgert Glawischnig aber, dass die Expertengruppe keine Zwischenberichte veröffentlicht und die Beratungen "unter Ausschluss der Öffentlichkeit" ablaufen: "Dinge werden als 'die neue Verfassung' und 'größte Reform aller Zeiten' präsentiert und kein Mensch kann sich die vollen Arbeitstexte anschauen. Das finde ich vom Verfassungsgesetzgeber dem Parlament gegenüber schon unerhört." Gerne würde sie auch Vorschläge einbringen, könne das aber nicht, wenn sie "selbst nicht genau weiß, an was gearbeitet wird."

Mehr Transparenz

Bisher sei auch kein Signal in die Richtung passiert, dass man die Opposition stärker miteinbinden will. Die Expertengruppe soll "transparenter arbeiten", fordert Glawischnig trotzdem, und tritt dafür ein "die Entwürfe, die erarbeitet werden, ins Internet zu stellen". Denn so könne man darüber diskutieren.

Franz Fiedler, ehemaliger Vorsitzender des Österreich-Konvent, im Zuge dessen die Grundlagen für die jetzige Staatsreform geschaffen wurden, und selbst Mitglied der Expertengruppe, beruhigt Glawischnig. Er ist um mehr Transparenz bemüht, und erklärt im Gespräch mit derStandard.at, dass die Ergebnisse der Expertengruppe, nachdem sie dem Bundeskanzler vorgelegt werden, in Begutachtung gehen. Im Zuge dessen "wird der gesamten Bürgergesellschaft, nicht nur den Oppositionsparteien, sondern auch allen anderen, die Möglichkeit gegeben, ihre Meinung dazu einzubringen."

"Vorschläge müssen nicht 1:1 umgesetzt werden"

Begutachtungsverfahren hätten immer noch gezeigt, dass man auf Anregungen durchaus reagiert: "Es ist nicht so, dass wenn die Expertengruppe eine Vorschlag unterbreitet, dass der dann 1:1 auf jeden Fall von der Regierung in Form einer Regierungsvorlage und dann in weiterer Folge vom Parlament umgesetzt wird." Fiedler erinnert an das Wahlrechtspaket, das jetzt schon beschlossen ist, bei dem noch im Zuge der parlamentarischen Beratungen "nicht unwesentliche Änderungen" vorgenommen wurden: Man hat das passive Wahlalter von 19 auf 18 Jahre gesenkt.

Kompetenzverteilung

Inhaltlich hat Eva Glawischnig nicht nur Kritik zu äußern, obwohl sie sich noch nicht viel Überblick über die geplanten Reformen verschaffen konnte. Denn alles, was sie bisher in Erfahrung bringen konnte, kennt sie "aus der Zeitung". Sie befürwortet zum Beispiel die Schaffung der zehn Verwaltungsgerichtshöfe: "Das ist absolut wichtig und notwendig."

Probleme sieht Glawischnig aber noch im Bereich der Kompetenzverteilung und vor allem bei der Finanzumverteilung zwischen Bund und Ländern, "an der letztendlich auch der Konvent gescheitert ist". Sie kritisiert, dass "noch immer mit einem System aus dem Jahr 1920" gearbeitet wird. Es gebe viele moderne Probleme, die es damals nicht gegeben hat. Als klassisches Beispiel nennt Glawischnig Lärm, wo momentan "elf Gesetzgeber tätig werden müssen, um Richtlinien umzusetzen."

Nicht "hinter verschlossenen Türen"

Franz Fiedler gibt sich zuversichtlich, dass man auch hier bis zum Herbst, wenn der nächste Teil der Reform präsentiert werden soll, zu einem "brauchbaren Ergebnis innerhalb der Expertengruppe" kommen wird. "Die gute Zusammenarbeit in der Expertengruppe gibt eigentlich zu Optimismus Anlass." Er lässt auch hier die Kritik nicht gelten, dass die Länder nicht ausreichend einbezogen werden: "Die Länder sind in der Expertengruppe ja vertreten. Es sind offiziell von Seiten der SPÖ Landeshauptfrau Burgstaller und von Seiten der ÖVP Landeshauptmann Sausgruber Mitglieder der Expertengruppe", sagt er.

Und er verweist abermals auf das Begutachtungsverfahren, das auch den Ländern Möglichkeit bieten soll, Kritik zu äußern: "Jeder, der Interesse hat, sich einzubringen, ist aufgerufen, seine Stellungnahme abzugeben. Es soll bitte nicht der falsche Eindruck entstehen, hier würde hinter verschlossenen Türen etwas ausgehandelt, was dann später weder zur Diskussion gestellt wird, noch einer Änderung unterzogen werden darf." (rwh/derStandard.at, 19.6.2007)