Grafik: DER STANDARD/Michaela Köck
Bei der internationalen Tagung ACE in Salzburg sprachen Experten über aktuelle Trends in der Entwicklung der Computerspiele. Dabei ging es auch um die Steuerung der Spiele durch Emotionen und Gedanken.

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"Wie können Emotionen das Verhalten von Systemen mitbeeinflussen und steuern?" So umreißt Manfred Tscheligi, Leiter der Forschungsgruppe für Human-Computer Interaction & Usability (HCI) an der Universität Salzburg, eine der zentralen Fragen, die bei der inzwischen vierten Konferenz "On Advances in Computer Entertainment Technology - ACE 2007" vergangene Woche in Salzburg diskutiert wurden. Die Salzburger HCI-Arbeitsgruppe des Information and Communication Technologies & Society Centers (ICT&S) rund um Tscheligi und Assistenzprofessorin Regina Bernhaupt präsentierte auf der ACE 2007 das Experiment "Emotional Flowers" als Beispiel neuer Möglichkeiten der Interaktion Mensch-Maschine.

"Wir haben eine Software verwendet, die im Wesentlichen über eine Kamera aufgenommene Gesichtsausdrücke analysiert", erläutert Tscheligi die Funktionsweise von "Emotional Flowers". Basierend auf dieser Analyse würden "Resultate produziert". Im konkreten Fall würden je nach Verhalten der Menschen vor Kamera und Software am Bildschirm virtuelle Blumen unterschiedlich wachsen. Kurz gefasst: Lachen und ähnliche über die Mimik transportierte positive Gefühle lassen die Blumen sprießen, hängende Mundwinkel und von der Kamera aufgenommene negative Gefühlsausdrücke hemmen das Wachstum. Tscheligi und sein Team wollten beobachten, "welche Rolle die Emotion beim Umgang mit Technologie im Generellen und im Speziellen spielt: Wie sieht die Schnittstelle aus, wie kann ich mit Emotion spielen."

Die Salzburger Arbeitsgruppe habe ihr Experiment zwar "als Spiel aufgesetzt", so Tscheligi, der Benutzer sei dabei freilich nicht wie bei herkömmlichen Computer- oder Videogames allein aufs Spiel konzentriert.

Im Gegenteil: Er spielt neben anderen Arbeiten vor dem Bildschirm oder am Schreibtisch; die Kamera observiert den Spieler auch ohne dessen Zutun automatisch, und der Filter, also die Software, wandelt die Emotion in virtuelle Blumen um.

Tonfall der Mails

Dass die Umsetzung von Emotionen in virtuelle Gewächse allein dem Benutzer schnell "fad" wird, weiß natürlich auch Tscheligi: "Der Überraschungseffekt ist schnell weg, man hat eine relativ geringe Halbwertszeit." Mittelfristig wolle man "das Erfassen von Emotionen auch für andere Situationen nutzen", etwa um die Emotion zum Benutzer selbst zurückzukoppeln.

Tscheligi nennt als mögliches Beispiel den täglichen Mail-Verkehr: Wer "schlecht drauf und grantig" sei, würde oft Mails schreiben, deren Inhalt und Tonfall dem Absender später leid täten oder gar schadeten. Die Rückkoppelung via Software, "Achtung: negativer Gemütszustand!", könne helfen, solche Fehler in Zukunft zu vermeiden, meint der Wissenschafter. Jesper Juul, Assistenzprofessor für Spieltheorie und Design an der Uni Kopenhagen, sieht in solchen "emotionalen Spielen" die Bestätigung für einen neuen Trend. Der Konsum von Computerspielen laufe zunehmend auch neben anderen Tätigkeiten her, vergleichbar mit dem "Easy Listening" in der Unterhaltungsmusik.

Juul glaubt an den Trend zu einfacheren Spielen: Viele potenzielle Konsumenten hätten angesichts der aufgrund der gestiegenen technischen Möglichkeiten immer komplexer konstruierten Spielaufgaben und -welten längst aufgeben. "Viele spielen nie mehr wieder" und gingen so der Industrie als Kunden verloren. Die niedrigere Eintrittsschwelle in die Spielewelt allein war aber nicht der einzige auf der ACE-Tagung zu beobachtende Trend. Besonders aufsehenerregend sind jene Versuche, wo einzelne Funktionen über Gehirnaktivitäten gesteuert werden. Die Spieler müssen dabei allerdings noch Spezialhelme tragen, die einen gedachten Befehl aufnehmen und damit Figuren in künstlichen Welten bewegen. Das Steuern mittels Gedanken ist über das Laborstadium allerdings noch nicht hinaus.

Weiter ist man beim Trend zu sozialen Spielen. So können beispielsweise bei einer auf dem ACE-Meeting vorgestellten Neuerung drei Spieler gleichzeitig ihre Sprache oder andere Töne via Mikrophon und Software in grafische Muster umsetzen. Das Spielen werde bei solchen Gemeinschaftsspielen auch genutzt, sich kennenzulernen, so Tscheligi.

Einsatz in der Therapie

Mehr und mehr Bedeutung gewinne auch der Einsatz von Spielen zu Therapiezwecken: So könnten Spiele für Schlaganfallpatienten eingesetzt werden, um spezielle Gehirnregionen zu aktivieren, berichtet Tscheligi. Der Vorteil für die Patienten: "Beim Spielen vergesse ich, dass ich Übungen mache."

Ob Prototypen wie etwa seine "Emotional Flowers" beziehungsweise Nachfolgeentwicklungen jemals industrielle Serienreife erlangen werden, wagt Tscheligi nicht zu prognostizieren. Im Zeitraum von fünf Jahren könnten einzelne auf der ACE 2007 vorgestellte Entwicklungen aber durchaus am Markt auftauchen. Auf der Salzburger Konferenz wären unter den 150 Teilnehmern auch viele Vertreter der Industrie mit dabei gewesen. Diese hätten die vorgestellten Neuerungen jedenfalls sehr genau beobachtet. (Thomas Neuhold/DER STANDARD, Printausgabe, 20. Juni 2007)