Das Gute zuerst: ein Volk, begnadet für das Schöne. Wir denken nicht immer nur an Geld, Sex und Skifahren. Was DU z. B. einfach nur Deutschland bist, sind WIR nämlich eine Kulturnation. Nirgendwo außer in Österreich würde etwa das, von der gesamten Weltöffentlichkeit atemlos verfolgte, titanische Ringen um eine Stadtoperndirektion kundiger kommentiert; oder auch eine Biennale-Eröffnung profunder besprochen (Malerei ist also tatsächlich wieder in, und es gab Fingerfood aus heimischen "Genussregionen"). Wo außer auf der "bedeutendsten deutschen Sprechbühne" dürfte ein alter Zausel pudelnackert einen unterstandslosen britischen König mimen? Und welches andere Kulturvolk ließe die blutjungen Interpreten ambitionierter Aufzugsmusik als "Die neuen Österreicher" den nationalen Rundfunk usurpieren? Und überhaupt, Kunstbanausen, Nestbeschmutzer und Vernaderer: Wir haben Kultursommer!

Von Perchtoldsdorf über Gutenstein, Steyr oder Haag nach Lienz: Keine Burgruine, kein Schlosshof, Stadtplatz oder Stiftskeller, wo sich nicht allabendlich Goldoni/ Goethe/ Molière/ Raimund/ Nestroy/Schnitzler oder gar Avantgardedramatiker wie Franzobel dem kritischen heimischen Kunstverstand stellen würden. Und wem das mit dem Textaufsagen zu intellektuell ist (Hallo, Dorfrichter Adam!), der lässt sich's musisch in Mörbisch, Amstetten, Bad Ischl oder am Wörthersee (heuer mit Uwe Kröger!) besorgen. Als Marx und Lenin der E-Musik haben Frau Netrebko (Österreich) und Herr Lang Lang (leider noch nicht) dankenswerterweise längst für die Demokratisierung so diffiziler Kunstformen wie "Carmen", "der Gefangenenchor" oder "Chopin" gesorgt: Multikulti avant la lettre.

Weniger erfreulich: Jetzt, da Schönberg, Messiaen oder Richard Strauss hier quasi Volksgut sind und Arno Schmidt oder Else Lasker-Schüler kurz vor der TV-Verfilmung stehen - jetzt kommen die Ausländer mit ihrer Fußball-EM. (Una Wiener/Der Standard/rondo/22/06/2007)