Bald Schluss mit böse? Guy Pearce als Outlaw mit Resozialisierungspotenzial in John Hillcoats elegischem Aussie-Western "The Proposition".

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Im Kampf gegen jene, die außerhalb des Gesetzes agieren, und solche, die sich legitimiert fühlen, dieses selber in die Hand zu nehmen. Oder: Der alternde Vormann (Tommy Lee Jones) einer texanischen Rinderfarm, der illegal die Grenze nach Mexiko überqueren muss, wenn er einem toten Freund dessen letzten Wunsch erfüllen will.

Beide ein bisschen ermattet von der Last der Pflicht, den sie umgebenden und ereilenden Veränderungen: Viel zu heiß ist es in Australien. Die Rekrutenmoral ist kaum höher anzusiedeln als jene der Banditen. Wieso also nicht ein temporäres Zweckbündnis schließen? Auch in Texas anno 2005 verrichten nur mäßig qualifizierte und motivierte Aufsichtsorgane ihren Dienst. Die Grenze, die sie bewachen, ist dem Gerechtigkeitssinn des alten Cowboys kein Hindernis.

Derlei eigenbrötlerische Helden gelangen mitunter schneller in die Regale von Videotheken, als der interessierte Kinogeher schauen kann. "Lost Movies" heißt demgemäß nicht ganz zu Unrecht eine kleine Reihe im Filmcasino. Neben der britischen Zombie-Parodie Shaun of The Dead vom Team Edgar Wright / Simon Pegg (Hot Fuzz) und Bruno Dumonts zugespitztem Drama um Geschlechterkampf, 29 Palms, sind dort eben auch John Hillcoats The Proposition und Tommy Lee Jones’ The Three Burials of Melquiades Estrada zu sehen.

Zwei "Neo-Western" gewissermaßen, die jeweils auch von Handschriften, Vorlieben und Kooperationspartnern ihrer Regisseure zeugen: Nach Ghosts ... of The Civil Dead (1988) ist etwa The Proposition die zweite Zusammenarbeit des Australiers Hillcoat mit seinem Landsmann und Autor Nick Cave. Eine schicksalsschwere Ballade in Breitwandformat, die Mann unerbittlich mit Mann, aber auch mit Landschaft konfrontiert. Und die trotz mancher Drastik nach Peckinpah’scher Manier eher zu visueller Abstraktion denn zu (physischer) Überwältigung tendiert.

The Three Burials of Melquiades Estrada dagegen ist die zweite Regiearbeit von Tommy Lee Jones. Diesmal hat der Westernliebhaber ein Skript von Guillermo Arriaga verfilmt, den man als Hausautor von Alejandro González Iñárritu (u. a. Babel) kennt. Dessen anderen Arbeiten entsprechend wird auch hier die Linearität der Erzählung aufgebrochen (und dadurch nichts wesentlich gewonnen). Dafür bleibt aber Raum für Szenen wie diese:

Der örtliche Sheriff (Dwight Yoakam) ist seinem alten Freund, dem Vormann, auf den Fersen. Von einem Felsen nimmt er ihn durchs Zielfernrohr ins Visier. Doch anstatt abzudrücken, sinkt er mit einem tiefen Seufzer wortlos hintenüber. Hinein in einprägsamste Stille schrillt ganz banal ein Handyklingelton ... (Isabella Reicher, DER STANDARD/Printausgabe, 21.06.2007)