Wien - Die von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer vorgeschlagene neue Ortstafelregelung brächte einen "totalen Systemwechsel". Darauf verweist der Verfassungsjurist und Volksgruppenexperte Dieter Kolonovits im Gespräch mit der APA. Die Folge: Weil die Ortstafelregelung per Verfassungsgesetz erlassen werden soll, wären Anfechtungen beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) praktisch nicht mehr möglich. Für die Aufstellung zusätzlicher Ortstafeln wäre ein neues Verfassungsgesetz (also eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat) nötig.

Verfassungsgesetz

Bisher war für die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln eine Verordnung der Bundesregierung und die Zustimmung des Hauptausschusses im Nationalrat nötig. Künftig soll die Liste der zweisprachigen Ortschaften per Verfassungsgesetz festgelegt werden - für jede weitere Ortschaft wäre also eine Zweidrittelmehrheit nötig. Keinen Einfluss auf die Aufstellung zusätzlicher Ortstafeln hätte der geplante Konsensausschuss. Dieser wäre lediglich ein weiteres Beratungsgremium, betont Kolonovits: "Der Konsensausschuss kann das nur vorbringen und kann nur bewirken, dass die Bundesregierung sich damit beschäftigen muss - die muss nur im Ministerrat darüber reden."

"Rechtsfrieden"

Die Verankerung der Ortstafelregelung im Verfassungsrang hat für Kolonovits zwei Nachteile: "Man erschwert die Anfechtbarkeit beim Verfassungsgerichtshof, das geht gegen Null. Auch eine Änderung (der Ortstafel-Liste, Anm.) ist schwer - die braucht wieder eine Zweidrittelmehrheit." Ein möglicher Vorteil für die Slowenen-Vertreter wäre zwar, dass damit "Rechtsfrieden" gewährleistet sein könnte - allerdings hänge dies nun davon ab, ob die Liste der 163 Ortschaften umfangreich genug ist oder nicht, betont Kolonovits.

Zustandekommen der Liste offen

Diese Frage kann aus Sicht des Verfassungsjuristen derzeit jedoch nicht beantwortet werden. Grund: Wie die Liste der 163 Ortschaften zustande gekommen ist, bleibt im Gesetzesentwurf offen - die bisher vorgesehenen Kriterien (im wesentlichen die Bevölkerungszahl) wurden gestrichen. Erläuterungen liegen noch nicht vor. Auch ob die Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes mit den Gusenbauer-Plänen umgesetzt würden, kann Kolonovits nicht beurteilen: "Wir müssten wissen, nach welchen Kriterien die Ortschaften zustande gekommen sind."

Durchsetzung erleichtert

Erleichtert wird mit den Entwurf die Durchsetzung der Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln, glaubt Kolonovits. Zwar sei keine direkte Rechtsdurchsetzung vorgesehen, "aber wenn man das nicht umsetzt, verstößt man gegen Verfassungsrecht. Da gibt's jetzt keine Diskussion mehr, ist das Landesvollziehung oder nicht". Außerdem wird festgelegt, dass die slowenischen und die deutschen Bezeichnungen gleichrangig nebeneinander stehen müssen. Damit wäre für den Fall weiterer Ortstafelverrückungen - entsprechende Mehrheiten vorausgesetzt - eine Ministeranklage möglich. (APA)