Graz – "Wanted: Europa" hat sich die styriarte heuer auf ihre Fahnen geschrieben, und sie setzt damit auf das Völkerverbindende. Und Europas "most wanted composer" Beethoven hätte an der omnipräsenten steirischen Multibeschallung seiner Werke, die man sich da hoch oben vom Dachstein bis herunter an die Weinstraße hat einfallen lassen, vielleicht seine Freude gehabt, auch wenn er die hie und da vorbeirauschenden Trambahnen, den einen oder anderen ploppenden Weinkorken akustisch wahrscheinlich nicht mehr wahrgenommen hätte.

In der Helmut-List-Halle ging es natürlich etwas gesitteter und leiser zu. Mucksmäuschenstill war es, als Nikolaus Harnoncourt sich anschickte, den Dialog mit dem Chamber Orchestra of Europe und dem Arnold Schoenberg Chor aufzunehmen und die Chorbässe den Kyrie-Ruf der C-Dur-Messe op. 86 intonieren ließ. Dieses zu selten aufgeführte Werk, mit dem der Komponist gegen klassische liturgische Konventionen verstieß und damit seinen adligen Auftraggeber gehörig verstörte, bot das Hinabtauchen in die tiefsten Befindlichkeiten menschlicher Kontemplation. Erschauernd im "Crucifixus", beklemmend-unheimlich im "Miserere", zart und versöhnlich im "Benedictus". Dem jederzeit aufmerksamen Arnold Schoenberg Chor stand mit Julia Kleiter, Elisabeth von Magnus, Herbert Lippert und Geert Smits ein ebenfalls glänzend aufgelegtes Solistenquartett zur Seite.

Ein Vorwurf wird wohl am mittlerweile 77-jährigen Harnoncourt für immer abprallen: jener der Verharmlosung. Und dieser trat mit seinem Zugriff auf die Fünfte auch gleich den schlagenden Beweis an: herrlich entschlackt, rhythmisch gestochen scharf, bisweilen rasend schnell, klangdynamisch bis in die Nebenstimmen ausgefeilt. Immerhin sei Beethoven schuld daran, dass er überhaupt Musiker geworden wäre, meinte der Maestro einmal. Danke, Ludwig van, können wir nur sagen. Am Ende anhaltende Standing Ovations. (Peter Stalder/ DER STANDARD, Printausgabe, 26.06.2007)