Wohnqualität und Glück sind weniger eine Frage der Optik als der Ausstattung, der Größe und eines funktionierenden sozialen Umfelds: Das war die zentrale Botschaft der Münchner Städtebau-Expertin Ingrid Krau, die das Einführungsreferat auf dem Wohnsymposium hielt.

Krau sparte dabei nicht mit Kritik an einer ganzen Branche: "Junge Architekten legen heute mehr Wert auf die äußere Gestaltung, denn damit können sie besser punkten", sagte sie. "Sie entwerfen am liebsten Welten für 'Young Professionals', die keine materiellen Existenzsorgen plagen. Doch wir müssen wegkommen von der Überbewertung der Oberflächenästhetik, für die sich auch die Architekturjournale zu stark einsetzen. Die soziale Komponente darf nicht vergessen werden."

Panorama-Lift

In München würde man auf Sozialwohnanlagen teure Penthäuser und Dachterrassen aufbauen, berichtete Krau. "Dann steuert der Panorama-Lift nur Wohnungen ab dem 17. Stockwerk an. Das wird mit der Beschleunigung begründet, aber es hat auch einen sozialen Aspekt", sagte Krau. Verschiedene Schichten lebten zunehmend aneinander vorbei. Zwar werde in jedem Neubauprojekt in München soziale Durchmischung betrieben, "aber nur noch mit dem unteren Mittelstand."

Doch der Schlüssel zum Glück beim Wohnen bleibt die Quadratmeterzahl, stellte die Direktorin des Instituts für Städtebau und Wohnungswesen fest. Die Beengtheit in den neuen EU-Staaten sei einer der Hauptfaktoren für die Abwanderung in den Westen. In Westeuropa gebe es die größten Wohnflächen in prosperierenden Großstädten unter 500.000 Einwohnern, wie etwa Den Haag und Regensburg, berichtete Krau. "Mit steigender Größe schrumpft die Wohnfläche."

Sonderstellung für Wien

Eine Sonderstellung in Europa nimmt Wien beim Thema Dichte ein, sagte Krau: Während in München Anlagen, deren Wohnfläche mehr als das Doppelte der Grundfläche ausmacht, kaum zu vermarkten seien, wiesen beliebte neue Wiener Projekte wie die Ottakringer Kornhäuslvilla, der Handelskai oder die Donaueschinger Straße eine siebenfache Überbauung der Grundfläche auf. Krau: "Das gibt es in Europa fast nicht. Aber die akzeptierte Dichte in den Städten ist etwas Kulturelles, und Wien hat dank der Gemeindebauten und der Mietskasernen eine Vorgeschichte, die das möglich macht."

Für die geselligen Wiener ist das Miteinanderleben offenbar ein Teil des Glücks. (ef, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.6.2007)