Der berührende Grazer Georg Altziebler alias Son Of The Velvet Rat: "Simple Akkordfolgen waren mir früher zu nahe liegend. Das hindert oft mehr, als es nützt."

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Graz - Georg Altziebler zählt seit Ende der 1980er-Jahre zu den wenigen heimischen Musikern, die ihre Kunst nicht nur als nette, dem Ego förderliche Freizeitbeschäftigung betrachten. Diese soll dann hoffentlich irgendwann auch vom Hobby zum Beruf werden. Und wenn nicht, dann hat das Prekariat eben Pech gehabt und muss weiterhin die von der ständigen Zahlungsunfähigkeit bedrohte Ich-AG geben. Wie Altziebler im Interview mit dem Standard klarstellt, betrachtet er Musik - vor allem auch seine Musik mit dem um Gastmusiker erweiterten Soloprojekt Son Of The Velvet Rat - als "Lebensmittel" und "Lebenshilfe".

Die setzt sich, fern jeder leichtfertigen Ironie oder anstrengungslosen Coolness mit großer Ernsthaftigkeit zum Kern ihrer Inhalte vordringend, mit dem Wesentlichen auseinander. Nicht umsonst definiert der wortkarge Steirer seine Lieder als im Wesentlichen um zwei große Themenbereiche des Lebens kreisend: Programmatisch titelt sein neues, drittes und jetzt in Graz und Wien live vorzustellendes Soloalbum Love & Loss - Liebe und Verlust. Oder wie es Songwriter-Gottvater Townes Van Zandt einmal auf den viel zitierten Punkt brachte: "There are only two kinds of music: There's the Blues, and there's Zip-A-Dee-Doo-Dah."

Gestartet ist der Grazer Songwriter Georg Altziebler mit seinen Bands Pure Laine und Bloom05 in einer längeren und kommerziell eher unauffälligen Aufbauphase zwischen 1989 und 2003.

Damals versuchte er unter anderem auch, seine Liebe zum französischen Chanson in einen angloamerikanischen Rockkontext zu übersetzen. Dabei landete Altziebler, mehr oder weniger unabsichtlich, in der stilistischen Nachbarschaft von großen, Country- und Folk-Elemente frei und ohne ideologische Hemmschuhe interpretierenden US-Americana-Bands wie Thin White Rope, Calexico, Lambchop oder Wilco. Möglicherweise auch, weil die von der frühen Kindheit an in der Alltagskultur aufgesaugten Einflüsse des Rock'n'Roll sich im Zweifel immer gegenüber späteren Geschmacksverfeinerungen durchsetzen.

Die Rhône in Arizona

Das Publikum und die Kritik reagierten auf so viel Feinsinn ohnehin verbockt. Sie sprachen den schönen französischen Bandnamen Pure Laine (Reine Wolle) immer lieber englisch als französisch aus und rezipierten Altzieblers Stücke als mit getragenen Melodien und erhabenem Pathos aufgeladene Kunst, die sich so wie die scheinbaren Vorbilder im Zweifel lieber durch die Wüste in Arizona als durch das Rhône-Tal bewegt.

2003 kam mit dem im Alleingang als Son Of The Velvet Rat eingespielten und nun tatsächlich auf besagten Townes Van Zandt verweisenden Soloalbum By Your Side ein Befreiungsschlag. Altziebler entledigte sich vorübergehend des Drucks, mit Musikern spielen zu müssen. Die würden aufgrund der Erwartungshaltung vor der Bühne manchmal auf die schiefe Bahn geraten und ruinierten die stillen, atmosphärischen, sehr persönlich und "schwer" gehaltenen Songs live durch Überdruck-Geholze.

Altziebler: "Laute Musik behindert oft. Wenn ich solo auf der Bühne stehe, funktioniert die Kommunikation mit dem Publikum meist besser. Weil ich weiß, dass meine Songs in sich stimmen. Wenn die Leute das nicht wollen, Pech."

Mit diversen Gitarren und vor allem einer unverkennbaren, bittersüß-zittrigen Gesangsstimme interpretierte Altziebler in Folge nicht nur den herzzerreißenden Joy-Division-Klassiker Love Will Tear Us Apart. Über die 2006 erschienene, wieder zart Richtung Band gehende Arbeit Playground arbeitete er sich jetzt auch an sein aktuelles Meisterstück heran. Love & Loss wurde unter der Regie und auf Einladung des von Wilco bekannten US-Produzenten Ken Coomer in der Country-Hochburg Nashville, Tennessee, eingespielt.

Reife und Gelassenheit

Altziebler: "Tupelo oder Chicago wäre auch okay gewesen. Nashville war definitiv kein Bubentraum von mir! Ich finde diese ganze Country-Szene extrem unsympathisch, aber Ken Coomer wohnt dort."

Die Arbeit hielt für Altziebler gleich einmal eine Überraschung bereit: "Eigentlich wollte ich die Stücke gemeinsam mit meiner Lebensgefährtin Heike Binder (Organett, Backing Vocals, Anm.) wieder sehr spartanisch aufnehmen. Doch als wir ins Studio kamen, hatte Ben schon eine ganze Band dort stehen. Man hätte sich schon ein wenig davon überfahren vorkommen können, doch nach zwei, drei Songdurchläufen klang das alles fantastisch und ich war hochzufrieden."

Minderwertigkeitskomplexe seien während der Arbeit jedenfalls bezüglich eines in Fremdsprache singenden Österreichers keine aufgekommen: "Ich singe eher zufällig in Englisch, lege allerdings als tendenziell langsamer Schreiber größten Wert auf die weg von der Geschichte zum reinen Gefühl kondensierten Texte. Die entwickeln sich meist aus den Melodien oder geben einander thematisch die Hand. Die Amis sagten: Bei dir hört man wenigstens, dass du meinst, was du singst. Das erfahre ich in Österreich nur selten." Auch musikalisch hat Altziebler mit diesem melancholischen, intimen, transatlantischen Chanson-Folkrock, wie in seinen schwermütigen Texten auch, erstmals keine Angst vor dem Einfachen gehabt: "Simple Akkordfolgen waren mir früher zu nahe liegend. Das hindert oft mehr, als es nützt."

Mit der Reife komme jetzt also die Gelassenheit, auch einmal ganz simpel von a-moll über D- nach G-Dur zu greifen?

Altziebler: "Sowieso, a-moll und D-Dur gehen immer!" (Christian Schachinger/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27. 6. 2007)