Kommenden Donnerstag gibt es wieder einen Grund zum Schämen: Dann werden die Ergebnisse des jüngsten Eurobarometers präsentiert. Wieder einmal landet Österreich in dieser EU-weiten Umfrage auf einem der letzten Plätze, wenn es um die Einstellung zur EU-Osterweiterung und zu einer weiteren Ausdehnung der Union geht.

Und parallel dazu das Jubeln über die Olympia-Entscheidung für die russische Stadt Sotschi. Tenor der Wirtschaft: Das Votum für Sotschi bringt ihr mehr, als es bei Salzburg der Fall gewesen wäre. Das ist ein typisches Beispiel für die schizophrene Haltung der Österreicher in Bezug auf die Entwicklungen in Osteuropa. Österreich profitiert am meisten von den Entwicklungen in dieser Region, die durch die revolutionären Umwälzungen seit 1989 ausgelöst wurden. Aber die Stimmung in der Bevölkerung ist weiterhin bestenfalls reserviert, schlimmstenfalls feindlich.

Warum eigentlich?

Wenn man schon vom Nutzenansatz ausgeht: Vor 15 Jahren reichte der Horizont der österreichischen Unternehmen nur bis zum Weißwurst-Äquator - inzwischen aber bis zum Ural. Dazwischen lag der EU-Beitritt Österreichs und vor allem die Erweiterung der Union um zehn neue Mitglieder, acht davon in Mittel- und Osteuropa. Vier Staaten wiederum grenzen unmittelbar an Österreich, das mitten im Herzen des Kontinents liegt.

Wenn man die Investitionen österreichischer Unternehmen in den osteuropäischen Ländern anschaut, dann wird jedem klar: Wirtschaftlich sind wir dort eine Großmacht. Österreichische Unternehmen haben die Gunst der Stunde genützt - früher und mit längerem Atem als andere.

Lehrgeld

Einige haben bei diesen Investments Lehrgeld bezahlt, aber für diejenigen, die ausgehalten haben, rentiert sich das Engagement inzwischen. Bis 1995 haben die österreichischen Firmen im Ausland praktisch keine Erträge erwirtschaftet. Jetzt ist die Erntezeit gekommen.

Das kleine Land Österreich, das in den vergangenen Jahrzehnten vor allem Ziel von Expansionen von Unternehmen des großen Nachbarn Deutschland war, ist so selbst zum Riesen geworden, wenn man seine Präsenz in Osteuropa betrachtet. In sieben Ländern steht Österreich an der Spitze der Investoren. In der Folge haben österreichische Tochterunternehmen im Ausland mehr Ertrag erwirtschaftet als die unter ausländischem Einfluss stehenden österreichischen Unternehmen.

Mehr Engagement

Aber wo sind die Unternehmer, die offen aussprechen, dass ein erheblicher Teil des Wohlstandes in Österreich erst durch die Entwicklungen in Osteuropa ermöglicht wurde? Dazu gehört mehr Engagement als gelegentliche Über-den-Tellerrand-schauen-Initiativen.

Und wo sind die Politiker? Abgetaucht. Offensives Auftreten - auch gegen den Boulevard und die vermeintliche Volksmeinung - ist erst recht von Politikern gefragt. Aber es ist ja so viel einfacher "gegen die in Brüssel" zu schimpfen, statt zu Hause dafür einzustehen, was man ad personam in Brüssel mitbeschlossen hat. Denn "die EU" sind wir alle. Die Bürger, die einzelnen Staaten sind über ihre Vertreter in Brüssel präsent und an den Entscheidungsprozessen genauso beteiligt wie die EU-Kommission und das EU-Parlament, wo wiederum die Volksvertreter versammelt sind.

Der falsche Zugang

Wer die Debatte über den Hochschulzugang verfolgt, dem wird klar, wie man in Österreich denkt: die gegen uns. Das ist der Tenor der EU-Debatte hierzulande - aber der falsche Zugang.

Für alle gelten die gleichen Spielregeln. Wir können nicht die positiven Entwicklungen, die die EU insbesondere für Konsumenten gebracht hat wie Liberalisierungen auf den Strommärkten, günstigere Handy-Roamingtarife oder Rechtssicherheit bei Investitionen im EU-Ausland, in Anspruch nehmen und gleichzeitig die Grenzen dichtmachen. Wir sind nicht mehr länger auf einer Insel der Seligen, sondern Teil einer Gemeinschaft, der wir uns auch verpflichtet fühlen sollten. (Von Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, Printausgabe 7./8.7.2007)