Zuerst wurde geputzt, dann besetzt. Die frühere Schule in der Grazer Grenadiergasse solle ein Zentrum für die freie Kunstszene werden, fordern die Aktivisten.

Fotos: Miljkovic
Graz - "Kein Gott, kein Staat, kein Mietvertrag" - die Forderung, die die Hausbesetzer an die Mauer des Hauses in der Grazer Grenadiergasse 2, Ecke Kernstockgasse, befestigt haben, klingt einprägsam und einfach. Doch so leicht werden die rund 70 Leute, welche am vergangenen Wochenende das Haus friedlich bezogen haben, ihr gefordertes Soziales Zentrum nicht bekommen: Am späten Montagabend wurde das Objekt von der Polizei geräumt. Die Besetzer leisteten passiven Widerstand und ließen sich von den Beamten, die die Grenadiergasse abgesperrt hatten, durch die Barrieren tragen. Einige hatten sich in den Stiegenhäusern oder auf Vordächern angekettet und mussten losgeschnitten werden. Einmal eskalierte die Situation, als sich ein Hausbesetzer von hinten auf einen Polizisten stürzte, ihn niederriss und verletzte. Der Mann wurde festgenommen.

Laut Grundbuch ist die Stadt Graz die Besitzerin der ehemaligen Schule St. Andrä, die seit Längerem leer steht. Deswegen sei sie als öffentlicher Raum - nach Meinung der Aktivisten - auch von der Öffentlichkeit zu benützen. Vonseiten der Stadt Graz hingegen wird beteuert, dass das Gebäude laut Gemeinderatsbeschluss um 620.000 Euro verkauft wurde. Bürgermeister Siegfried Nagl (VP) zeigte sich bei einer rasch einberufenen Pressekonferenz am Montag aber zu Gesprächen mit den Aktivisten bereit.

Die Besetzer ihrerseits beriefen sich auf eine Klausel, wonach der Vertrag zwischen der Immobilienfirma, der das Gebäude nun gehört, und der Stadt erst in Kraft trete, wenn das Denkmalamt eine Einwilligung gegeben habe. Am späteren Vormittag wurde die Frage schließlich geklärt: "Eigentümer und Besitzer ist die Immobiliengesellschaft Estate Scherer, dies bestätigte auch der Bürgermeister", sagte Gerhard Lecker von der Sicherheitsdirektion Graz. Er forderte die Versammelten auf, das Gebäude zu verlassen. Die für 13.30 Uhr angekündigte Räumung fand bis zu Redaktionsschluss jedoch nicht statt.

Raum für Kunst

"Nicht absperren", sagte eine als Clown verkleidete Aktivistin mit hoher Stimme, watschelte hinter dem Polizisten her und stellte sich in demonstrativer Pose - die bunte Wasserpistole in James-Bond-Manier nach oben gerichtet - zum Beamten. Dieser und vier andere blieben ruhig. Grund zur Aufregung gab es nicht, auch wenn die Grazer mit Hausbesetzungen wenig Erfahrung haben.

Trotz lustiger Verkleidung stand der Ernst der Aktion im Vordergrund: Ein Ort für alternative Kunstprojekte musste her, für andere Vorschläge sei man offen. Das erste, was die Besetzer am Samstag gemacht hatten, war, das Haus zu putzen. Am Wochenende waren die Anrainer mit Flugblättern darauf aufmerksam gemacht worden, dass sich "in der Nachbarschaft etwas tut". Die "NachbarInnen" wurden eingeladen, sich selbst ein Bild zu machen. Es wurden Workshops abgehalten und auch Lesungen waren geplant. Die Bewegung sei eine heterogene, sagte einer der Besetzer zur Ausrichtung der jungen Menschen, die auf der Mauer saßen, den Gehweg bevölkerten oder sich im besetzten Haus befanden. Politisch aktiv und künstlerisch, seien sie im Groben. "Eingerichtet hat es sich im Haus aber noch niemand", sagte ein Aktivist. (Marijana Miljkoviæ, DER STANDARD/Printausgabe, 10.07.2007)