Wien - Ein Teil des 2005 beschlossenen Asylgesetzes dürfte verfassungswidrig sein. Konkret geht es um jene Passage, die die Ausweisung von Asylwerbern regelt, für deren Asylverfahren ein anderes EU-Land zuständig ist. Grund: Wenn eine Abschiebung aus Menschenrechts-Gründen (z.B. Traumatisierung) nicht möglich ist, dann wird sie zwar verschoben - allerdings kann dieser Aufschub nicht verlängert werden. Effekt: Der Asylwerber müsste nach Ablauf der Frist auch dann abgeschoben werden, wenn die Traumatisierung weiter besteht.

Amtswegige Prüfung

Die Verfassungsrichter haben daher eine amtswegige Prüfung (gegen den Paragraf 10 Absatz 3 des Asylgesetzes) eingeleitet - ein solches Verfahren endet in etwa neun von zehn Fällen mit einer Aufhebung.

In seinem Prüfbeschluss stellt der VfGH klar, dass, sollte eine menschenrechtskonforme Abschiebung auf Dauer nicht möglich sein, das Asylverfahren in Österreich durchgeführt werden muss, auch wenn eigentlich ein anderer EU-Staat dafür zuständig wäre ("Dublin-Verfahren"). In diesem Fall muss Österreich also das "Selbsteintrittsrecht" ausüben und den Fall an sich ziehen.

"Durchführungsaufschub"

Ein "Durchführungsaufschub" - also der befristete Aufschub der Abschiebung in das zuständige EU-Land - ist in diesem Fall nicht ausreichend, heißt es im Prüfbeschluss des VfGH, weil schon der Ausspruch der Ausweisung selbst "unzulässig" ist: "In Verfahren über Feststellung der Zuständigkeit eines anderen Staates (...) ist bei einem nicht bloß vorübergehenden Hinderungsgrund für die Abschiebung das Selbsteintrittsrecht (...) auszuüben."

Beschwerde

Anlass für die Prüfung ist die Beschwerde eines über 60-jährigen Tschetschenen, heiße es in einer VfGH-Aussendung am Mittwoch. Sein Asylantrag wurde mit der Begründung, dass Polen für das Verfahren zuständig sei, zurückgewiesen und die Ausweisung nach Polen verfügt. Eine ärztliche Untersuchung bestätigte jedoch eine schwerwiegende Traumatisierung, weshalb die Ausweisung verschoben wurde ("Durchführungsaufschub").

Eine neuerliche medizinische Untersuchung ergab keine Besserung des Gesundheitszustandes. Die Behörden meinten nun sogar selbst, dass an eine Ausweisung nach Polen nicht mehr zu denken sei und die polnischen Behörden wurden darüber informiert, dass man das Asylverfahren nun doch in Österreich durchführen werde ("Selbsteintrittsrecht").

Trotzdem blieben die Zurückweisung des Asylantrags und die Ausweisung in Kraft. Grund: Der zeitlich befristete "Durchführungsaufschub" kann laut Gesetz nicht verlängert werden. "Der Verfassungsgerichtshof hat daher Bedenken, dass eine Regelung, die eine drohende Verletzung der Menschenrechtskonvention nur zeitlich befristet abwendet und keine Verlängerungsmöglichkeit vorsieht, verfassungswidrig sein dürfte", heißt es in der Aussendung.

Keine "Schubhaftautomatik"

Einmal mehr haben die Verfassungsrichter auch klar gestellt, dass die Schubhaft gegen Asylwerber nur "so kurz wie möglich" dauern darf. Anlass: Die Behörden hatten die Schubhaft in einem konkreten Fall aufrechterhalten, obwohl der betreffende Asylwerber zum Asylverfahren zugelassen wurde und eine Aufenthaltsberechtigungskarte bekam. Das Fremdenrecht erlaube aber keine Schubhaft ohne Vorliegen konkreter Gründe, heißt es in einer VfGH-Aussendung vom Mittwoch.

Die Behörden gehen demnach davon aus, dass die einmal verhängte Schubhaft gegen Asylwerber ohne weiteres bis vier Wochen nach rechtskräftiger Ablehnung des Asylantrages andauern darf - im konkreten Fall trotz späterer Zulassung zum Asylverfahren. "Diese Vorgangsweise ist verfassungswidrig", heißt es seitens des Verfassungsgerichtshofes. Und: "Das Gesetz legt fest, dass die Schubhaft so kurz wie möglich zu dauern hat."

PLatter will abwarten

Innenminister Günther Platter will die angekündigte Prüfung erst einmal abwarten. Er zeigte sich am Mittwoch zufrieden, dass "einmal mehr die so genannte Dublin-Schubhaft bestätigt wurde". "So lange ein Asylverfahren in Österreich im Gange ist bedeutet dies gleichzeitig selbstverständlich eine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich."

Der Innenminister verteidigte gleichzeitig das neue Asylgesetz, dieses sei wichtig und richtig für Österreich. "Wir haben einen deutlichen Rückgang an Asylanträgen und deutlich schnellere Verfahren", erinnerte er erneut. (APA)