Für ganz besondere Höhenflüge in Sachen Sternguckerei designte Marc Newson das Space-Plane.

Foto: Marc Newson

Eineinhalb Stunden soll der Space-Trip dauern.

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Drei Minuten davon werden in Schwerelosigkeit verbracht.

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Marc Newson

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Fladern - damit hat's angeblich begonnen, vor gut zwanzig Jahren, in den Trashy Burbs von Sidney. Es geht die Mär, dass Marc Newson immer wieder Fiberglas mitgehen ließ, und wenn der Beach-Boy nicht gerade am Surfen war, bastelte er damit an seinem berühmten Möbelobjekt "Lockheed Lounge". Dieses machte als Kreuzung zwischen Liegesofa und formal swingender Quecksilberbombe Möbelkarriere. Ein Prototyp davon ging bei Sotheby's vergangenes Jahr für fast eine Million Dollar über die Auktionshaus-Budel. Sein bauchiges Schrankobjekt "Pod of drawers" nahm vor zwei Monaten bei Christie's die Millionenhürde, sein neuer Besitzer hielt bei 1.048.000 Dollar die Hand hoch.

Ziel des 1963 geborenen Surfer-Boys war es von Anfang an, wirklich Neues zu schaffen, mit jedem Objekt ganz von vorn zu beginnen, so, als hätte es nie einen Sessel oder einen Tisch gegeben. Im Hinterkopf hatte er dabei weniger Design-Lehrbücher oder Hochglanzmagazine als vielmehr jede Menge Fantasie und die Ästhetik der Sciencefiction, die formalen Auswüchse von Wassersportgeräten wie Surfboards, Taucheranzügen oder die Ken-Adams-Sets der frühen James-Bond-Filme. Zugute gekommen sind ihm in den mehr als zwanzig Jahren, die Newson jetzt werkt, all die neuen Materialien, die es dem Designer mit Studio in London ermöglichten, sein ganz eigenes, visuelles Vokabular zu kreieren. Ausgesprochen hat er dieses in der Produktwelt von Nike, Shiseido, Cappellini, Iittala, Alessi, G-Star, Flos, Samsonite und vielen mehr.

Newson, laut Time Magazine eine der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt, ist seit seiner Kindheit ein Space-Freak, sein Traumprojekt war es immer schon, das Design für eine Weltraumstation zu entwerfen. All die Weltraumzeitschriften, die Raketenmodelle und der NASA-Nippes auf seinem Schreibtisch bezeugen das. Jetzt gestaltete er etwas, womit der mit fetter Reisekasse ausgestattete Tourist zumindest in diese Richtung reisen könnte: Vor kurzem wurde seine schicke Kabine des so genannten Space-Planes im Rahmen der Airshow im Pariser Le Bourget präsentiert.

Himmlischer Zauber

Den Auftrag, den im Inneren nackig angelieferten Basisflieger zu gestalten, bekam Newson von Astrium, einer Tochter des EADS-Konzerns. Endlich durfte er etwas entwerfen, das es noch nie gegeben hat, eine Mischung aus Rakete und Flieger für touristische Sterngucker. Und so soll die Geschichte mit dem Flugobjekt funktionieren: Der Raketenflieger in der Größe eines Business-Jets nimmt vier Passagiere mit, schießt ab einer Höhe von 12.000 Metern sternschnuppengleich mit dreifacher Schallgeschwindigkeit gut 100 Kilometer gen Himmelszelt und bewegt sich schließlich für drei Minuten in der Schwerelosigkeit. Ein Ticket für den Höhenflug soll's ab happigen 150.000 Euro geben, dafür hat der Weltraumtourist neben der Aussicht auf seinen Heimatplaneten auch die große Gewissheit, weder von lärmenden Zimmernachbarn gestört, noch von den Arbeitskollegen am Strand von Waikiki oder sonst wo gesichtet zu werden. Dauern soll der himmlische Zauber ungefähr eineinhalb Stunden.

Ab 2008, so der Plan, wird ordentlich weiterentwickelt, 2012 sollen dann die ersten Touristen Sterne schnuppern. Sich zu sputen ist angesagt, will Virgin-Gründer Richard Branson sein von Philippe Starck designtes "SpaceShipTwo" samt Weltraumtouristen bereits 2009 von New Mexico aus ins All schicken.

Rockstar der Design-Szene

Dass die Freiheit über den Wolken grenzenlos sein muss, gilt vielleicht für Pilot und Passagier, wohl kaum aber für die in jeder Ecke und Nische des Fliegers mit Auflagen und Hightech-Kniffeleien konfrontierten Designer und Ingenieure. Und bloße Behübschung wäre gerade bei diesem Projekt für die Katz', denn die Aufmerksamkeit beim Space-Trip dürfte sich eher auf Milchstraßen, Männer im Mond und Mutter Erde richten als auf das Muster des Sitzbezugs.

Die Arbeit beschrieb Newson, der gern als Rockstar der Design-Szene betitelt wird, so: "Es ist ein bisschen wie die Gestalterarbeit in den ersten Tagen der Fliegerei. Wir mussten uns einfach mit einer Reihe von Dingen beschäftigen, die in Sachen Entwurfsarbeit zuvor nicht existierten." Apropos existieren: Astrium-Pressesprecher Mathias Pikelj spricht von einem Marktpotenzial von circa 15.000 Weltraumpassagieren pro Jahr ab 2020.

Newsons Job war es, das Interieur und alles was sich auf die Passagiere bezieht, zu designen. Vor allem galt es, eine multifunktionale Sitzgelegenheit zu ertüfteln. Diese muss stark verstellbar sein, denn dieses Ding ist ja sowohl horizontal als auch vertikal unterwegs. Außerdem müssen sich die Sitze während der Zündung der Raketen zur Seite drehen, um die Beschleunigung auszugleichen. Aushalten müssen die Sitzschalen auch sonst einiges mehr, bringt es sogar eine zarte Millionärsgattin bei den im Space-Plane zeitweise herrschenden Druckverhältnissen auf bis zu 200 Kilo.

Barbapapa-Höhlen-Gucklöcher

Etwas Erfahrung aus verwandten Bereichen hat Himmelsstürmer Newson allerdings schon mit an Bord gebracht, er designte zum Beispiel den Business-Jet "Falcon 900 B" oder den wie einen Space-Rochen daherkommenden "Kelvin 40 Concept Jet", den er für die "Fondation Cartier pour l'Art contemporain" entwarf. Newson ist als Kreativdirektor für Quantas Airways tätig und gestaltete unter anderem eine heimelige Langstreckenflugbettstatt.

Angesichts des Interieurs im Fliegerbauch stellt sich die Frage, ob Newson die Erfahrung aus all seinen entworfenen Objekten vom Auto bis hin zum Sexspielzeug bei den strengen Auflagen um das Projekt einbringen konnte. Die Frage, ob er seine verspielten Formen, die wie Hightech-Bäuche, -Tropfen, -Flügel oder -Pilze in Erscheinung treten, auch in diesem Weltraumpfitschipfeil einfließen lassen kann. Er kann. Vielleicht nicht ganz so ungezügelt wie in Gestalt seines Türstoppers "Rock", der wie ein abstraktes Nilpferd daherkommt, oder wie im Falle seiner "Orgone Stretch Lounge" aus Aluminium, die aussieht wie ein organisch geformter Harley-Davidson-Auspuff auf Beinchen, aber er kann.

Es ist eindeutig die Formensprache des Marc Newson: Die Fenster zum Beispiel, zweifelsohne wichtigstes Utensil bei diesem Exklusiv-Sightseeing, muten ein wenig wie Barbapapa-Höhlen-Gucklöcher an. Ihrer kreisartigen Form liegt nicht die Kreiszahl Pi zugrunde, sondern eine aus Newsons Formenwerkzeugkasten. Er baute so viele All-Augen wie möglich ein - um sie größer wirken zu lassen, verpasste er ihnen einen Rahmen. Die superbeweglichen, ultraleichten Schalensitze mit knallgelber Auflage könnten mit aufgesägten Pharaonen-Sarkophagen verglichen werden, freilich aus Hightech-Material und dem Jahrtausend sowie der Mission formal angepasst. Wann der Space-Trip im Reisebüro um die Ecke zu buchen ist, steht noch in den Sternen, Weltraumfreak Newson lässt aber ausrichten, dass er davon überzeugt ist, dass eines Tages jeder die Möglichkeit haben wird, einen Ausflug mit solch einer Sternwarte der Extraklasse zu unternehmen. (Michael Hausenblas/Der Standard/rondo/13/07/2007)